Vorratsdaten

Bundesregierung will – mal wieder – verpflichtende Speicherung aller IP-Adressen und Portnummern

Noch bevor die EU-Kommission die Speicherpflicht von IP-Adressen europaweit einheitlich regelt, schafft die Bundesregierung Fakten: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat angekündigt, die Vorratsdatenspeicherung neu zu regeln – wie, ist offen.

Spätestens seit dem Jahr 2005 taucht das Thema Vorratsdatenspeicherung regelmäßig auf der politischen Agenda auf. Noch am 17. Februar 2005 einigten sich Bundestag und Bundesrat, auf die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu verzichten; zu groß waren die Bedenken, dass Millionen von Datensätze unschuldiger und unverdächtiger Nutzer von Telekommunikationsdiensten auf Vorrat überwacht würden, wie es der damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar formulierte. Für ihn war zudem schon seinerzeit fraglich, ob sie im Ergebnis die praktische Arbeit der Strafverfolgungsbehörden in dem Umfang unterstützt, wie dies zum Teil vermutet wird. 20 Jahre, etliche Gerichtsentscheidungen und nichtige Gesetze später wagt die Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz einen neuen Anlauf und kündigte an, den Werkzeugkasten von Polizei und Nachrichtendiensten deutlich erweitern zu wollen. Bei der Aussprache zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag am 16. Mai 2025 in Berlin erklärte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt:

Wir werden die Speicherung von IP-Adressen umsetzen, um schwere Kriminalität zu bekämpfen. IP-Adressen sind oft der einzige Ermittlungsansatz. Dass IP-Adressen nicht zur Verfügung stehen, das erhöht die ‚Gefahr der systemischen Straflosigkeit‘, wie es der EuGH nennt; denn Straftaten werden nicht aufgedeckt, wenn IP-Adressen nicht gespeichert werden dürfen. Und deswegen: Wir werden diese systemische Straflosigkeit nicht zulassen, sondern das systematische Entdeckungsrisiko für Schwerstkriminelle erhöhen. Das ist unsere Aufgabe.

Nach den Recherchen von netzpolitik.org ist jedoch völlig offen, wie Dobrindt seine Ankündigung in Taten umsetzen will. Konkret wollten die Blogger vom Bundesinnenministerium wissen, wie bei der verpflichtenden Speicherung aller IP-Adressen und Portnummern mit der Gefahr umgegangen werde, dass umfassende Nutzerprofile erstellt werden könnten; weiter wollte man wissen, wie gesichert werden können, dass IP-Adressen nicht mit anderen gespeicherten Daten verknüpft werden. Vom Bundesinnenministerium erhielt man jedoch lediglich zur Auskunft, dass man sich »in ressortübergreifenden Abstimmungen zur Umsetzung des Koalitionsvertrages« befinde. Im Koalitionsvertrag heißt es:

Wir führen eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern ein.

Dabei will man insgesamt »europa- und verfassungsrechtliche Spielräume ausschöpfen«. Wie groß diese Spielräume sind, ist jedoch umstritten. Branchenverbände der Telekommunikationsunternehmen wie Bitkom und eco warnen vor der Einführung der Vorratsdatenspeicherung, nicht zuletzt auch wegen der Kosten. Bereits im Jahr 2018 sei man von Implementierungskosten von einigen EUR 100 Mio. und jährlichen Betriebskosten im oberen zweistelligen Millionenbereich ausgegangen. Selbst wenn der Bundestag noch in diesem Jahr ein Gesetz verabschieden würde, wäre daher mit weiteren Klagen zu rechnen.

Möglicherweise wird Dobrindt bis dahin europäisch überholt, denn die EU-Kommission hat eine Folgenabschätzung zur Vorratsdatenspeicherung durch Diensteanbieter für Strafverfahren angestoßen. Die Sachverständigen der »High-Level Group (HLG) on access to data for effective law enforcement« haben die Annahme eines europäischen und einheitlichen Rahmens für die Vorratsdatenspeicherung zu Strafverfolgungszwecken empfohlen, in dem auch Zugangsgarantien verankert werden. Konkrete Ergebnisse sind dort frühestens im 1. Quartal 2026 zu erwarten.

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, oder weitergegeben.
Bitte füllen Sie die gekennzeichneten Felder aus.*

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Der Domain-Newsletter von domain-recht.de ist der deutschsprachige Newsletter rund um das Thema "Internet-Domains". Unser Redeaktionsteam informiert Sie regelmäßig donnerstags über Neuigkeiten aus den Bereichen Domain-Registrierung, Domain-Handel, Domain-Recht, Domain-Events und Internetpolitik.

Mit Bestellung des Domain-Recht Newsletter willigen Sie darin ein, dass wir Ihre Daten (Name und E-Mail-Adresse) zum Zweck des Newsletterversandes in unseren Account bei der Optimizly GmbH (vormals Episerver GmbH), Wallstraße 16, 10179 Berlin übertragen. Rechtsgrundlage dieser Übermittlung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, indem Sie am Ende jedes Domain-Recht Newsletters auf den entsprechenden Link unter "Newsletter abbestellen? Bitte einfach hier klicken:" klicken.

Top