Nach 17-monatiger Diskussion liegen die ersten konkreten Vorschläge zur Zukunft der Netzverwaltung auf dem Tisch: sowohl die IANA Stewardship Transition Coordination Group (ICG) als auch die Cross Community Working Group on Enhancing ICANN Accountability (CCWG) stellten Anfang August 2015 ihre Modelle der Öffentlichkeit vor.
Im März 2014 hatte die im US-Wirtschaftsministerium zuständige National Telecommunications and Information Administration (NTIA) angekündigt, Schlüsselfunktionen des Domain Name Systems auf die globale Multistakeholder-Community übertragen zu wollen. Seither rauchten weltweit die Köpfe, um ein Modell zu finden, das den Anforderungen der NTIA (so etwa die Umsetzung des Multistakeholer-Modells, Bewahrung der Offenheit des Netzes) genügt. Zu diesen Arbeitsgruppen zählt auch die ICG, die aus 30 Mitgliedern besteht und Gremien wie die GNSO (Generic Names Supporting Organization), die gTLD Registries, die IETF (Internet Engineering Taskforce), das SSAC (Security and Stability Advisory Committee) sowie den ICANN-Regierungsbeirat GAC (Governmental Advisory Committee) repräsentiert. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die ICG nun ein 199-seitiges Arbeitspapier, das den Entwurf eines neuen Modells der Netzverwaltung aufzeichnet – wer Akronyme mag, wird das Papier lieben.
Vereinfacht ausgedrückt, kombiniert das ICG-Modell die drei wesentlichen Teile der Netzverwaltung, also »domain names«, »number resources« (IP-Adressen) sowie »protocol parameters« (technische Funktionalität). Begleitet wird der Vorschlag von einem komplizierten Konstrukt dieser drei Teile, wobei innerhalb jedes Teiles unterschiedliche Regelungen gelten. Zusammen soll sich ein Modell wechselseitiger Prüfung und Kontrolle ergeben, das aus Gründen der Übersichtlichkeit im Arbeitspapier als Bild visualisiert ist.
Im Mittelpunkt steht dabei unverändert ICANN, deren Rolle mit der »authority to approve any major architectural and operational changes in the management of the root zone« gestärkt wird. Technische Funktionen soll dagegen das PTI (Post-Transition IANA) übernehmen. Weiter finden sich neu zu schaffende Gremien wie das CSC (Costumer Standing Committee) oder das IFR-Team (IANA Functions Review Team). Öffentlich bisher kaum Beachtung fand dagegen der Vorschlag der CCWG, der in einer 180 Seiten umfassenden, bereits zweiten Entwurfsfassung zeitgleich mit dem ICG-Modell vorgestellt wurde. Da die CCWG allerdings mit Vertretern von Organisationen besetzt ist, die sich auch in der ICG finden, operiert auch dieser Vorschlag mit Begriffen wie PTI und CSC. Wer in den Tiefen der Netzverwaltung versinken möchte, demsei für weitere Einzelheiten die Lektüre beider Vorschläge empfohlen.
Lawrence E. Strickling, Leiter der NTIA, zeigte sich in einer Pressemitteilung erfreut, dass mit beiden Vorschlägen ein historischer Meilenstein im Rahmen des Übergangsprozesses erreicht worden sei. Mit den Worten »Let Your Voice be Heard« rief er nun die Öffentlichkeit auf, im Fall der ICG bis zum 08. September 2015 und im Fall der CCWG bis zum 12. September 2015 Stellung zu nehmen und ihre eigene Meinung einfließen zu lassen. Allzu viel Zeit bleibt nicht: der bisherige Fahrplan sieht vor, dass bis zum 54. ICANN-Meeting im Oktober 2015 ein verbindlicher Vorschlag für ein Modell der Netzverwaltung erarbeitet wird. Abgeschlossen werden soll die »IANA-Transition« dann bis zum 56. ICANN-Meeting, das für 27. bis 30. Juni 2016 angesetzt ist.