Unbegrenzt neue TLDs

viel Lärm um Nichts?

„Potential für völliges Chaos“, „ein Albtraum für Inhaber von Markenrechten“ – die Entscheidung der Internet-Regierung ICANN, grundsätzlich unbegrenzt neue Top Level Domains (TLDs) zuzulassen, stösst nicht nur auf Begeisterung. Oder heisst es am Ende: viel Lärm um Nichts?

Am wenigsten erfreut sind die Inhaber von Kennzeichenrechten. Egal ob .eu, .asia oder in Kürze .tel, mit jeder neuen Top Level Domain stehen sie vor der Wahl, ihren geschützten Begriff vorbeugend zu registrieren oder sich später auf eine juristische Durchsetzung ihrer Rechte zu verlassen. Beides ist meist mit erheblichen Kosten verbunden, weshalb Rechtsanwalt John Mackenzie von der britischen Kanzlei Pinsent Masons LLP klagt: „Jedes Mal, wenn eine neue TLD kommt, spenden große Marken ein Vermögen für defensive Registrierungen, um Schaden abzuwenden. ICANN hat diese Kosten vervielfacht.“. Auch für Phil Kingsland von der .uk-Registry Nominet bleibt nur, defensive Anmeldungen zu empfehlen.

Dieser Einschätzung wollen die Marktforscher von der Gartner Group nicht folgen. Für sie wirken sich neue Endungen kaum auf Unternehmen aus, .com wird auch weiterhin das Geschehen dominieren. Nur in einigen wenigen Fällen verschaffen die neuen Kürzel einen Mehrwert; so räumt man potentiellen Bewerbern für .movie oder .xxx kommerzielle Erfolgsaussichten ein, daneben möglicherweise noch einzelnen Regio-TLDs. Den Unternehmen empfiehlt Gartner, das eigene Portfolio nicht mit defensiven Anmeldungen aufzublähen, sondern sich auf Klassiker wie .com und jene Länderkürzel, in denen man geschäftlich tätig ist, zu konzentrieren. Zugleich betont Gartner jedoch die Vorzüge von Unternehmen zur Markenüberwachung, um Verletzungen frühzeitig zu entdecken; auch eine eigene Domain-Strategie etwa zur Frage, welche Begriffe unbedingt geschützt werden müssen und welche nett, aber nicht notwendig wären, kann helfen, den Überblick zu behalten.

Jauchzende Jubelschreie erwartet man dagegen aus der Domainer-Szene, wächst doch mit jeder neuen TLD die Auswahl an neuen, attraktiven Domains a la sex.cm, .sex.eu oder sex.asia stetig an. Anlässlich des Domainer-Meetings in Paris ging die Branche jedoch davon aus, dass die neuen Endungen keinen grossen Einfluss auf das Geschäft haben werden. Für Jay Westerdal, CEO von Name Intelligence, liegt vielmehr nahe, dass es zehn Jahre dauern könnte, bevor eine neue Top Level Domain die kritische Masse überschreitet und öffentlich bekannt genug ist, um mit ihren Domain-Namen Geld verdienen zu können. Blickt man auf die längst eingeführten, aber ein Schattendasein fristenden Endungen .aero, .pro, .museum, .jobs oder .coop, spricht viel dafür, dass sich Westerdals Einschätzung bestätigt; im Gegenteil könnten etablierte Kürzel wie .com oder .de an Wert gewinnen.

Für den US-Domainer Kevin Ohashi werden die möglichen Auswirkungen neuer TLDs ebenfalls überschätzt. So steht derzeit gar nicht fest, ob eine Domain-Vergabe offen (unrestricted) wie im Fall .info oder beschränkt (restricted) wie bei .pro erfolgen wird. Darüber hinaus sei wichtig, was eine Domain anbietet, nicht ihre Endung; so hat .us trotz del.icio.us oder imageshack.us nicht sprunghaft an Registrierungen gewonnen.

Verlässliche Aussagen lassen sich erst treffen, wenn klar ist, welche neue Endung kommt und unter welchen Bedingungen die Registrierung möglich ist. Allein der Kostenfaktor dürfte manche Vorfreude auf exotische neue Endungen verderben: neben einer Bewerbungsgebühr von kolportierten US$ 50.000,– bis 500.000,– ist auch der laufende Betrieb einer Registry mit erheblichem wirtschaftlichem Einsatz verbunden. Eine Endung .hansi für die Wellensittichliebhaber dieser Welt ist also alles andere als realistisch.

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