Der Zeitplan zur Einführung neuer globaler Top Level Domains wird sich erneut um mindestens 120 Tage verschieben: wie die Internet-Verwaltung ICANN bekanntgab, erzwingt das Risiko einer Namenskollision im Domain Name System (DNS) zusätzliche Sicherungsmaßnahmen.
Das Problem ist nicht neu: schon im Januar 2013 hatte ICANNs Security and Stability Advisory Committee (SSAC) darauf hingewiesen, dass es zu Konflikten zwischen neuen Domain-Endungen und solchen Domains kommen könnte, die wie zum Beispiel .corp, .mail oder .home inoffiziell in lokalen, privaten Netzwerken verwendet werden. Im Mai 2013 beschloss der ICANN-Vorstand daraufhin, bei der Interisle Consulting Group LLC eine Studie in Auftrag zu geben, um belastbares Zahlenmaterial zu erhalten. Diese Studie mit dem Titel »Name Collision in the DNS« liegt nun vor und platzte wie eine Bombe in das nTLD-Einführungsverfahren: die Endungen .corp und .home stellen ein hohes Risiko für die Sicherheit und Stabilität des Internets dar, weitere 20 Prozent der beworbenen Endungen müssen als unkalkulierbares Risiko eingestuft werden, und für die verbleibenden 80 Prozent gilt zumindest eine geringe Risikostufe. Die 197 Seiten umfassende Studie geht dabei ins Detail: untersucht wurden 8 Terabyte des Datenverkehrs von 11 der insgesamt 13 Root-Server. Von den 1.409 verschiedenen Zeichenketten erschienen lediglich 64 nicht zumindest ein einziges Mal im »Day in the Life of the Internet«-Datenmaterial des Jahres 2012. Im Jahr 2013 reduzierte sich diese Zahl nochmals auf 42, oder mit anderen Worten: 1.367 Zeichenketten wurden im Jahr 2013 mindestens ein Mal abgefragt. (Eine Übersicht zur Risiko-Einstufung einzelner TLD-Bewerbungen finden Sie hier.)
ICANN reagierte umgehend mit einem Maßnahmenkatalog. Für die 80 Prozent oder umgerechnet etwa 1.130 beworbenen Endungen mit geringem Risiko, darunter generische TLDs wie .food, .hotels, .music, aber auch Marken- und Städte-TLDs wie .audi, .bmw, .hyatt, .hamburg sowie .wien, gilt eine Phase von mindestens 120 Tage ab Unterzeichnung des Registry-Vertrages, in der die Domains nicht im DNS aktiviert werden dürfen; eine Registrierung wäre dann zwar möglich, praktisch aber nutzlos. Für die 281 Endungen mit der Einstufung als unkalkulierbares Risiko, darunter TLDs wie .ads, .app, .cloud, .mail und .search, bedarf es weiterer Studien, um das Risiko besser einschätzen zu können; während dieser Zeit – ICANN rechnet allein dafür mit drei bis sechs Monaten – wird keine dieser Endungen delegiert. Für die hochriskanten Endungen .corp und .home bedeutet die Studie dagegen praktisch das »Aus«; können die Bewerber nicht nachweisen, dass sie nicht lediglich als Endungen mit geringem Risiko einzustufen sind, bleibt ihnen nur der (un)freiwillige Rückzug.
Im Lager der nTLD-Bewerber herrschte kurz nach Bekanntgabe der Entscheidung von ICANN Wut und Empörung. Bei Donuts Inc. war man über den Zeitpunkt der Studie und die dahinter liegenden Motive befremdet; nach eigenen Untersuchungen bedrohen weder die in der Studie identifizierten potentiellen Namenskollisionen noch die ebenfalls viel diskutierten »dotless domains« die Sicherheit und Stabilität des DNS. Für Uniregistry zeigte sich CEO Frank Schilling tief bestürzt über die Studie, sowohl in Bezug auf dessen Inhalt als auch den Zeitpunkt der Veröffentlichung; letzteres stifte erhebliche Unruhe bei der Umsetzung von längst vorbereiteten Geschäftsplänen. Zuletzt wies Famous Four Media auf die zusätzlichen Kosten hin, die durch eine erneute Verschiebung nun entstehen. Ob es sich allerdings um die letzte Verschiebung handelt – darauf sollte keiner wetten.