Kurz vor dem wegweisenden Meeting mit der Internet-Verwaltung ICANN in Brüssel hat der Regierungsbeirat Governmental Advisory Committee (GAC) in einer „Scorecard“ sämtliche Streitpunkte zum Thema nTLDs zusammengefasst und veröffentlicht. Unterdessen drängt ICANN weiterhin auf eine rasche Einführung.
Zwölf ausstehende Streitpunkte hat das GAC in seiner Scorecard ausgemacht, und sendet gleich in der Einleitung des 31seitigen Positionspapiers ein unmissverständliches Signal an ICANN: das Treffen in Brüssel sei nicht lediglich ein angemessener, sondern ein kritischer nächster Schritt, um den Interessen nationaler Regierungen Rechnung zu tragen. Gleichwohl zeigte sich das GAC in entscheidenden Fragen kompromissbereit: jede Regierung soll aus jedem Grund am Beginn des Bewerbungsverfahrens Widerspruch gegen eine neue Top Level Domain einlegen können, zugleich aber einen Abhilfevorschlag unterbreiten. Das letzte Wort behält allerdings ICANN, das sich auch gegen die Bedenken des GAC für die Einführung einer Endung entscheiden kann. In einer Rede hat Lawrence Strickling, Staatssekretär im US-Wirtschaftsministerium, die Hintergründe dieses scheinbar liberalen Vorschlags erläutert; demnach sei ICANN nach den Statuten faktisch ohnehin dazu gezwungen, eine mit dem GAC abgestimmte Entscheidung herbeizuführen, so dass jedes Veto des GAC einem „Aus“ für die Bewerbung gleichkäme.
Unzufrieden zeigt sich das GAC mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis neuer Top Level Domains. So hätten die bisher vorliegenden Studien gezeigt, dass frühere Einführungsrunden nur zu minimalen öffentlichen Vorteilen geführt hätten; hier müssten klare Kriterien eingeführt werden, um diese Vorteile leichter zu erfassen. Auch mit der beabsichtigten Aufhebung der strikten Trennung zwischen Registry und Registrar ist das GAC nicht einverstanden, sondern fordert jedenfalls dann eine Beschränkung, wenn die Registry Marktmacht hat oder wahrscheinlich erlangen wird, da sonst der Wettbewerb fehle. Für das Trademark Clearing House hält das GAC eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen bereit. So soll sich die Art der zu schützenden Rechte über vor dem 26. Juni 2008 eingetragene Marken hinaus nach dem Sitz der Registry bestimmen; außerdem sollen in der Sunrise Period nicht nur die mit der Marke identischen Begriffe geschützt werden, sondern, wie im Beispiel „Kodakonlineshop“, auch ähnliche Begriffe einschließlich Tippfehlervarianten.
ICANN zeigt sich vom Umfang der Themen bisher unbeeindruckt. Den Wortprotokollen vom Treffen in Brüssel ist zu entnehmen, dass man sich die Bedenken des GAC zwar anhört; zu welcher Lösung man gelangt, ist aber offen. Wie zum Trotz benennt ICANN in einer Pressemitteilung, in der die eingegangenen Kommentare und Stellungnahmen zum nTLD-Programm zusammengefasst werden, den 14. April 2011 als Datum für die Veröffentlichung des Bewerberhandbuchs. Allerdings lässt man ausdrücklich offen, ob es sich um die Endfassung handelt und ob es zur erneuten öffentlichen Stellungnahme ausgelegt wird; dass das genannte Datum unter Vorbehalt steht, versteht sich ohnehin von selbst.
Quelle: icann.org, domainincite.com