Der Vorstand der Internet-Verwaltung ICANN zog sich am vergangenen Wochenende für zwei Tage in Norwegen zurück, um alle offenen Fragen zu neuen Top Level Domains (nTLDs) zu besprechen. Doch alle Antworten hat man bisher nicht gefunden.
Einig ist sich der Vorstand zumindest, dass der Einführungsprozess voranschreitet, und ausweislich des Protokolls der Tagung sind Teilaspekte gelöst. So hat man sich beispielsweise darauf verständigt, dass sich der Schutz von Geo-Domains nach der ISO 3166-2 Liste nicht auf Übersetzungen beziehen soll; allerdings soll es Regierungen möglich sein, gegen die Vergabe Rechtsmittel einzulegen, wobei die Kosten des Verfahrens der Verlierer zu tragen hat. Was die Kosten einer Bewerbung selbst betrifft, legen die Beschlüsse nahe, dass es keine wesentlichen Änderungen mehr gibt, so dass es auch bei den US$ 185.000,00 für die Bewerbergebühr bleiben dürfte. Potentielle Bewerber schreckt dies offenbar nicht ab: ICANN geht davon aus, dass die technische Infrastruktur 1.000 neue Domain-Endungen jährlich verarbeiten kann. Gestrichen ist ferner eine umstrittene Anti-Terror-Klausel, so dass sich die Bewerber künftig keiner Prüfung auf terroristische Aktivitäten unterziehen müssen.
Offen blieb jedoch unter anderem das weite Feld des Schutzes von Kennzeichenrechten. Zwar scheint klar, dass neben einem Trademark Clearinghouse ein Uniform Rapid Suspension getauftes Streitschlichtungssystem vor und nach der Einführung Hilfe bei Rechtsverletzungen bieten wird, während die globallyprotected marks list (GPML) vom Tisch ist. Allerdings weist ICANN darauf hin, dass die weiteren Verhandlungen zu zusätzlichen Schutzmechanismen führen können. Allenfalls mit spitzen Fingern angefasst hat man das Thema MOPO (Morality and Public Order), nunmehr Rec6CWG genannt. Das Thema bleibt schwierig, und ICANN erbittet zusätzliche Unterstützung durch die Community. Der Vorschlag, die bisherigen MOPO-Regeln gänzlich zu streichen, scheint jedoch keine Mehrheit gefunden zu haben.
Bleibt die Frage nach dem weiteren Zeitplan. Auch wenn das Tagungsprotokoll mehrfach von der „nächsten“ Entwurfsversion des Bewerberhandbuchs spricht, hat der Vorstand inzwischen klargestellt, dass die nächste auch die Endfassung sein kann. Im Ergebnis hängt diese Entscheidung vom letzten ICANN-Meeting in diesem Jahr ab, das Anfang Dezember im kolumbianischen Cartagena de Indias stattfindet. Zu mehr als vorsichtigem Optimismus besteht nach der eigentlich als wegweisend gedachten Klausurtagung allerdings kein Anlass.