Überraschung beim ICANN-Meeting in Nairobi: aufgrund zahlreicher ungelöster Probleme sprach sich der Vorstand der Internetverwaltung gegen das EOI-Vorverfahren im Rahmen der Einführung neuer Top Level Domains aus. Die Porno-Domain .xxx muss sich zudem einstweilen gedulden.
Es schien nur mehr Formsache, und selbst ein Webinar war für den 18. März 2010 schon angesetzt, doch dann kam alles anders. Erdacht, um erste Erfahrungen mit dem Bewerbungsprozess für neue generische Top Level Domains zu sammeln, beherrschte das „expression of interest“ (EOI) genannte Vorverfahren mit seinen geplanten Regeln in den letzten Wochen die Schlagzeilen, und selbst in Details wie Gebührenfragen war man sich einig. Für den ICANN-Vorstand war dies indes kein Grund, sich in Nairobi vom EOI-Konzept zu verabschieden. Wie ICANN-CEO Rod Beckstrom bekanntgab, sorge das Vorverfahren für Verwirrung und die Gefahr der Verwechslung mit dem eigentlichen Bewerberverfahren. Zudem würde es dieses Hauptverfahren verzögern und zusätzliche Kosten verursachen, die in keinem Verhältnis zum erwarteten Nutzen stünden. ICANN wolle seine ohnehin beschränkten Ressourcen auf das Hauptverfahren konzentrieren, weshalb der Vorstand gegen das EOI stimmte. Dieses Ergebnis überraschte nicht nur Experten: ein ICANN-Vorstand gab an, dass er zu Beginn des Meetings noch für das EOI stimmen wollte; erst die folgenden Diskussionen brachten ihn davon ab.
Für das weitere Verfahren hat ICANN stattdessen angekündigt, rechtzeitig vor dem für Ende Juni 2010 angesetzten Meeting in Brüssel eine vierte, überarbeitete Fassung des Bewerberhandbuchs zu veröffentlichen. Dies lässt sich jedenfalls einer Botschaft entnehmen, die Rod Beckstrom über seinen Twitter-Account verlauten ließ. Damit rücken die so genannten „overarching issues“ wieder mehr in den Mittelpunkt. Gemeint sind im wesentlichen drei Kernkonflikte: das Root Scaling, also Auswirkungen neuer Top Level Domains auf die Root Zone und damit das gesamte Domain Name System, dann wirtschaftliche Analysen, welche die Frage nach dem Bedarf an neuen Endungen klären, sowie der Schutz von Kennzeichenrechteinhabern. Von konkreten Fristen, wann diese Themen gelöst sind, hat sich ICANN allerdings bereits im vergangenen Jahr gelöst.
Gedulden muss sich auch die Rotlicht-Domain .xxx. Der ICANN-Vorstand beschloss in Nairobi, jegliche Entscheidung über die Einführung um zwei Wochen zu vertagen. Innerhalb dieses Zeitraums soll ein Report möglicher Optionen erarbeitet werden, um ihn dann für 45 Tage öffentlich zur Diskussion auszulegen. Frühestens beim Brüssel-Meeting dürfte daher die weitere Zukunft der umstrittenen Endung geklärt werden. Stuart Lawley, CEO des Bewerbers ICM Registry, gab sich allerdings trotzigoptimistisch: „Wir freuen uns, die Vorschläge des Vorstands in den kommenden 14 Tagen zu sehen, damit dann die positive Entscheidung des Schiedsgerichts umgesetzt wird.“
Ein Interview mit Rod Beckstrom zum Nairobi-Meeting finden Sie hier.