Um das Prüfungsverfahren für neue globale Top Level Domains (nTLDs) ist hinter den Kulissen neuer Streit entbrannt: der Regierungsbeirat Governmental Advisory Committee (GAC) fordert von der Internet-Verwaltung ICANN, die Schiedsrichterrolle bei Mehrfachbewerbungen übernehmen zu dürfen. Und auch sonst sollten sich Bewerber auf einige Änderungen einstellen.
Exakt 1.930 nTLD-Bewerbungen gingen letztes Jahr bei ICANN ein. Für immerhin 230 Bewerbungen von 751 Bewerbern gab es dabei mindestens zwei Kandidaten; die Liste der Mehrfachbewerbungen wird angeführt von .app (13 Bewerber), .home und .inc (jeweils 11), .art (10), .blog, .book, .llc und .shop (jeweils 9). Um den sich daraus ergebenden Konflikt bei Mehrfachbewerbungen zu lösen, sieht das Bewerberhandbuch in letzter Konsequenz vor, dass im Rahmen einer Auktion der Meistbietende gewinnt und somit den Zuschlag erhält. Im GAC ist man allerdings ganz anderer Meinung: Nach Informationen von Milton Mueller, Professor an der Syracuse University School of Information Studies, hat das GAC eine Schiedsrichterrolle bei Mehrfachbewerbungen eingefordert. Bisher können einzelne GAC-Mitglieder eine Frühwarnung (»early warning«) aussprechen; ferner kann das GAC förmliche Beschwerden (»objection«) einlegen, die auf Grundlage internationalen Rechts entschieden werden sollten. Nach Angaben von Mueller könne das GAC nunmehr »for any reason« empfehlen, dass eine nTLD nicht eingeführt wird und somit frei entscheiden, welche Bewerbung zum Zug kommt – für Mueller ist damit der Korruption Tür und Tor geöffnet.
ICANN wiederum scheint den Bewerbern Entgegenkommen zu signalisieren. So soll ICANN-Aufsichtsrat Steve Crocker das GAC darüber informiert haben, dass man Änderungen in der Bewerbung infolge einer „early warning“ wahrscheinlich zulassen werde. In einem Schreiben an Heather Dryden vom GAC gab Crocker an, dass man nicht allgemein sagen könne, wann eine Änderung zugelassen werde; sofern die Änderung jedoch solche Aspekte betrifft, wie sie im »Toronto Communique« erwähnt sind, und auch sonst mit dem Bewerberhandbuch in Einklang stehen, werde man sie wohl zulassen. Im »Toronto Communique« erwähnt sind dabei Punkte wie Verbraucherschutz, Zeichenketten für staatlich regulierte Märkte wie Finanzen und Gesundheit, Wettbewerbs- und Kartellthemen sowie der Schutz geographischer Bezeichnungen. Somit erhielten die Bewerber Gelegenheit, in den Details ihrer Bewerbung nachzubessern und beispielsweise Missbrauchsregeln zu verschärfen. Verbindliche Zusagen gab Crocker jedoch nicht.
Trotz aller neuen Unsicherheit dürften sich die nTLD-Bewerber scheuen, öffentlich allzu laut zu protestieren. Das Applicant Guidebook enthält mehrfach den Hinweis, dass sich ICANN das Recht vorbehält, während des laufenden Prüfungsverfahrens angemessene Änderungen vorzunehmen oder neue Regelungen zu verabschieden. Gut möglich, dass ICANN hiervon schon bald umfangreich Gebrauch macht.