nTLDs

EU verärgert über ICANN-Votum

Der Weg für die Einführung zahlreicher neuer Top Level Domains ist frei, doch die Internet-Verwaltung ICANN bleibt im Kreuzfeuer der Kritik: sowohl die USA als auch die EU zeigten offen ihre Unzufriedenheit über das Votum des ICANN-Vorstands. Kippt das nTLD-Programm nun doch noch?

Mit 13 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen – auf den ersten Blick scheinen all die Kritiker an den Plänen zur Erweiterung des Domain Name Systems verstummt zu sein. Doch was ICANN als historischen Wechsel feiert, verärgert Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, zutiefst. Gegenüber dem Online-Magazin ip-watch.org gab ihr Sprecher Jonathan Todd an, dass die Kommissarin enttäuscht sei, dass der ICANN-Vorstand zum wiederholten Mal öffentliche Bedenken der Politik übergangen habe. Noch am Vorabend der Abstimmung hätte die EU unzweifelhaft darauf gedrängt, das Bewerberhandbuch erst dann zu verabschieden, wenn eine Reihe von Problemen ausgeräumt sei; konkret benannt wird die Beteiligung von Domain-Verwaltungen (Registry) an Registraren (cross-ownership) sowie die Notwendigkeit, dass Marken in Gebrauch sein müssen, um Schutz zu genießen. Letzteres zielt darauf ab, dass in einigen Ländern Markenrechte ohne Prüfung verliehen werden und somit Missbrauch Tür und Tor geöffnet sein könnte. Nach der Einführung von .xxx habe ICANN zum zweiten Mal in Folge den Rat nationaler Regierungen ignoriert. Gemeinsam mit den EU-Mitgliedsländern und den internationalen Partnern, an der Spitze den USA, werde man daher nun eine Reaktion prüfen.

Zumindest im Fall der „cross-ownership“ hat die EU die USA an ihrer Seite. Auf Anfordern der National Telecommunications and Information Administration (NTIA), die innerhalb des US-Wirtschaftsministeriums für ICANN zuständig ist, hat eine Überprüfung durch die Kartellbehörde ergeben, dass Nachteile für die Verbraucher zu erwarten sind. So könnte sich beispielsweise eine Registry exklusiv an einen Registrar binden und dieser dann einseitig die Gebühren für eine Domain-Endung bestimmen. Zum anderen könnte eine Registry den Registrar, an dem sie beteiligt ist, wirtschaftliche Vorteile zukommen lassen; zu denken ist an Nachlässe bei den Gebühren oder Übermittlung von Daten der Registrar-Konkurrenz. Vor allem bei .com, .net und .org seien so Preiserhöhungen zu erwarten. Die Behörde empfiehlt daher, das Verbot der „cross-ownership“ in der Regel beizubehalten. Sollte sich ICANN nicht einsichtig zeigen, könnte die Politik die anstehende Verlängerung des zum 30. September 2011 auslaufenden IANA-Vertrags zum Hebel nehmen, um nachträgliche Änderungen am nTLD-Programm zu erzwingen.

Eine öffentliche Stellungnahme von ICANN gibt es bisher nicht. Stattdessen hat man erstmals ein Arbeitspapier veröffentlicht, in dem Details zur „communication period“ geregelt sind. Diese Phase will ICANN nutzen, um die weltweite öffentliche Aufmerksamkeit auf das nTLD-Programm zu lenken. Dabei will man technische Sprache vermeiden, mit dem Ansatz eines Sportreporters: das Team soll jeder selbst wählen, aber den Sport soll man lieben. Insgesamt teilt sich die „communication period“ in vier Phasen und wird neben gezielter TV-, Radio-, Online- und Printkampagnen auch Road-Shows enthalten. Bis 15. Juli 2011 hat die Öffentlichkeit zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme, konkrete Details sollen im Anschluss bekanntgegeben werden.

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