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Bewerberhandbuch veröffentlicht!

Mit leichter Verspätung hat die Internet-Verwaltung ICANN am 12. November 2010 die vorläufige Endfassung des Bewerberhandbuchs für neue generische Top Level Domains (gTLD Applicant Guidebook) veröffentlicht. Da grundlegende Änderungen nicht mehr zu erwarten sind, haben wir es für Sie unter die Lupe genommen.

Das Bewerberhandbuch besteht aus insgesamt sechs Teilen:

Modul 1: Introduction to the gTLD Application Process
Modul 2: Evaluation Procedures
Modul 3: Dispute Resolution Procedures
Modul 4: String Contention
Modul 5: Transition to Delegation
Modul 6: Top-Level Domain Allocation Terms and Conditions

Die einzelnen Module wollen wir Ihnen nachfolgend kurz vorstellen:

Modul 1: Introduction to the gTLD Application Process

In Modul 1 gibt ICANN zunächst einen Überblick über den Ablauf des gesamten Bewerberverfahrens.

a) Application Submission Period

Das Verfahren beginnt mit einer zeitlich befristeten Bewerbungsphase (Application Submission Period), in der sich potentielle Interessenten über ein Online-System registrieren lassen und eine – auf die spätere Bewerbergebühr anzurechnende – Sicherheit von US$ 5.000,– hinterlegen müssen, um im „TLD Application System“ (TAS) erfasst zu werden; erst dann erhalten sie Zugang zum vollständigen Bewerbungsformular. Bewerbungsberechtigt sind

– established corporations
– organizations
– or institutions in good standing,

nicht dagegen Privatpersonen, Einzelunternehmen oder in Gründung befindliche juristische Personen. Bereits in dieser Phase müssen die Interessenten eine Reihe von Fragen beantworten sowie ihre wirtschaftliche wie technische Leistungsfähigkeit belegen. Das vollständig ausgefüllte Bewerbungsformular ist dann in ausschließlich elektronischer Form zusammen mit der Bewerbungsgebühr von US$ 185.000,–einzureichen. Die Bewerbungsgebühr reduziert sich in Stufen auf bis zu US$ 50.000,––, sollte eine Bewerbung in einer der späteren Phasen scheitern.

b) Administrative Completeness Check

Unmittelbar nach Abschluss dieser Bewerbungsphase prüft ICANN zunächst und innerhalb eines Zeitraums von voraussichtlich vier Wochen, ob die formellen Voraussetzungen für eine Teilnahme am Bewerberverfahren gegeben sind (Administrative Completeness Check), insbesondere also alle Fragen beantwortet und die Bewerbergebühr einbezahlt ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erhält die Öffentlichkeit dann auch erstmals Einsicht, wer sich um welche neue Top Level Domain beworben hat. Mit der Bekanntgabe erhält die Öffentlichkeit zudem mindestens 45 Kalendertage Zeit, um über Foren eigene Stellungnahmen zu den geplanten Bewerbungen einzureichen.

c) Initial Evaluation

An den Administrative Completeness Check und parallel zur öffentlichen Auslegung schliesst sich eine voraussichtlich fünf Monate dauernde Prüfungsphase (Initial Evaluation) an. Sie bildet das Kernstück des Bewerbungsverfahrens. Sollten mehr als 500 Bewerbungen eingehen, teilt ICANN den Rest in Bündel von jeweils 400 auf, um sie der Reihe nach zu prüfen; in diesem Fall werden die nachfolgenden Bündel erst nach Ablauf der ursprünglich eingeplanten fünf Monate geprüft.

d) Objection Filing

Parallel zum Abschluss des „Administrative Completeness Check“ startet ICANN auch eine „Objection Filing“ genannte Phase, die voraussichtlich fünfeinhalb Monate dauert, mindestens aber zwei Wochen länger als die Initial Evaluation. In dieser Phase erhalten sowohl mitbewerber als auch Dritte die Möglichkeit, bei einem Dispute Resolution Service Provider (DRSP) Einwendungen gegen eine Bewerbung zu erheben.

e) Extended Evaluation

Sollte ein Bewerber die Phase der „Initial Evaluation“ nicht bestehen, schliesst sich eine wiederum voraussichtlich fünfmonatige „Extended Evaluation“ an, in der – auch auf Antrag der abgelehnten Bewerber – Gelegenheit besteht, Mängel auszuräumen. Ob eine solche „Extended Evaluation“ erforderlich ist, teilt ICANN zum Ende der „Initial Evaluation“ mit.

f) Dispute Resolution

Für alle Bewerber, gegen deren Anträge im Rahmen der Phase des „Objection Filing“ Einwendungen erhoben wurden, folgt dann die Phase der „Dispute Resolution“. Erst wenn das Verfahren bei einem Dispute Resolution Service Provider abgeschlossen ist und alle Einwendungen entkräftet sind, nimmt die Bewerbung ihren Fortgang. Werden von mehreren Beteiligten derartige Einwendungen erhoben, müssen alle diese Verfahren beendet sein. ICANN gibt an, dass die Phase der „Dispute Resolution“ wiederum fünf Monate dauert; da Erfahrungswerte fehlen, handelt es sich jedoch lediglich um unverbindliche Einschätzungen.

g) String Contention

Wer die Phase der „Dispute Resolution“ überstanden hat oder gar nicht erst absolvieren musste, für den geht es in die Phase der „String Contention“, bei der es um die Prüfung bei Bewerbern um gleiche oder ähnliche Zeichenketten geht. Die Phase der „String Contention“ ist geprägt von erheblichen Potential zur zeitlichen Verzögerung und wirtschaftlichen Gefährdung einer Bewerbung; selbst wenn ein Bewerber alle Phasen zuvor erfolgreich überstanden hat, muss er bei gleicher oder ähnlicher Zeichenkette eines Mitbewerbers abwarten, bis dieser in die „String Contention“ eintritt und mit welchem Ausgang sie endet.

h) Transition to Delegation

Wer all diese Phasen mit Erfolg absolviert hat, tritt in die voraussichtlich zweimonatige „Transition to Delegation“ ein. Sie umfasst die Verhandlung und den Abschluss des Registry-Vertrages mit ICANN.

Zusammenfassend dauert eine Bewerbung daher vom ersten „Administrative Completeness Check“ bis zur „Transition to Delegation“ im günstigsten Fall acht Monate; bei komplexeren Bewerbungen dürfte sich dieser Zeitraum jedoch mindestens verdoppeln. ICANN hat angekündigt, dieser ersten Runde zur Einführung neuer Top Level Domains so schnell wie möglich weitere Runden folgen lassen zu wollen; konkret ist die Rede von einem zweiten Zeitfenster etwa ein Jahr nach Abschluss der ersten „Application Submission Period“, wobei die gewonnenen Erfahrungen aus der ersten Runde miteinfliessen sollen.

Modul 2: Evaluation Procedures

In Modul 2 regelt das Bewerberhandbuch die materiellen Voraussetzungen für eine Top Level Domain, um in die Root Zone eingetragen zu werden.

a) Background Screening

Am Beginn steht das so genannte „Background Screening“, bei dem ein Bewerber einer allgemeinen Überprüfung seiner geschäftlichen Tätigkeit und auf etwaige Auffälligkeiten im Bereich strafbarer Handlungen und Cybersquatting unterzogen wird. Eine vormals diskutierte Prüfung auf eine terroristische Aktivitäten hat man gestrichen. Aktiengesellschaften, die in einer der 25 weltweit grössten Börsen notiert sind und gehandelt werden, erfüllen zumindest die ersten beiden Punkte ohne weitere Prüfung; alle weiteren Kandidaten werden eingehend beleuchtet.

b) Initial Evaluation

Die Phase der Initial Evaluation besteht aus zwei zentralen Elementen, nämlich der Prüfung der gewünschten Zeichenkette („string review“) einerseits und des Bewerbers („applicant review“) andererseits.

Die „string review“ unterteilt sich dabei in eine Prüfung,

– ob die gewünschte Zeichenkette so ähnlich mit anderen Top Level Domains ist, dass sie die Möglichkeit in sich birgt, die Nutzer zu verwirren,
– ob die gewünschte Zeichenkette Sicherheit und Stabilität des Internets gefährdet,
– und ob im Fall geographischer Begriffe die Zustimmung der zuständigen Gebietskörperschaft vorliegt.

Im Rahmen der „applicant review“ prüft ICANN,

– ob der Bewerber die erforderliche technische, betriebliche und wirtschaftliche Kompetenz zum Betrieb einer Registry aufweist
– und ob die geplanten Registry-Dienste Sicherheit und Stabilität des Internets gefährden.

Dieses Grobraster unterteilt sich in viele Einzelprüfungen. So müssen generische Top Level Domains unter anderem mindestens drei Zeichen lang sein. Bei geographischen Begriffen sind zusätzliche Dokumente einzureichen; vorerst ausgeschlossen bleiben insbesondere Länder- oder Territorialnamen. Zahlreiche Expertengruppen wie das „String Similarity Panel“, das DNS Stability Panel oder das Financial Evaluation Panel beschäftigen sich intensiv mit jeder Bewerbung, wobei das Bewerberhandbuch auch Vorgaben zur Zusammensetzung dieser Gruppen macht und dabei den Schwerpunkt auf Unabhängigkeit und Ausschluss jeder Voreingenommenheit legt.

Modul 3: Dispute Resolution Procedures

Im Modul 3 befasst sich sich das Bewerberhandbuch mit einem eigenen Streitschlichtungsverfahren. Es erlaubt sowohl Mitbewerbern als auch Dritten, gegen eine geplante Bewerbung Einwendungen vorzubringen.

a)
Voraussetzung ist zunächst eine eigene Beschwer, die sich beispielsweise bei Inhabern von Kennzeichenrechten aus einer möglichen Rechtsbeeinträchtigung ergeben kann. Wer diese nachweisen kann, muss mindestens einen von lediglich vier anerkannten Gründen für berechtigte Einwendungen vorbringen:

– String Confusion Objection: die gewünschte Zeichenkette ist einer anderen geplanten oder bereits eingeführten Top Level Domain zum Verwechseln ähnlich

– Legal Rights Objection: die gewünschte Zeichenkette verletzt die begründeten Rechte des Dritten

– Limited Public Interest Objection: die gewünschte Zeichenkette widerspricht allgemein akzeptierten Regeln von Moral und öffentlicher Ordnung, die von Grundsätzen des internationalen Rechts anerkannt sind (vormals diskutiert unter der Bezeichnung „Morality and Public Order Objection“)

– Community Objection: die gewünschte Zeichenkette stösst auf nicht unerheblichen Widerstand eines signifikanten Teils jener Community, an die sich die Top Level Domain richten soll.

Diese Fallgruppen werden im Bewerberhandbuch näher erläutert und beispielsweise im Fall der „Limited Public Interest Objection“ durch Fallgruppen veranschaulicht.

b)
Zur Entscheidung in einem Streitschlichtungsverfahren sind so genannte Dispute Resolution Service Provider (DRSP) berufen. Hierzu zählen das International Centre for Dispute Resolution im Fall der „String Confusion Objection“, das Arbitration and Mediation Center der World Intellectual Property Organization (WIPO) im Fall von „legal rights objections“ sowie das International Center of Expertise der International Chamber of Commerce im Fall von Limited Public Interest Objections und Community Objections.

Das Bewerberhandbuch sieht eine eigene Verfahrensordnung für Streitigkeiten vor einem DRSP vor. So findet etwa das Verfahren in englischer Sprache statt, Schriftsätze sind in elektronischer Form einzureichen. Die Beschwerde darf höchstens 5.000 Wörter oder 20 Seiten umfassen. Mit Einleitung des Verfahrens sind Gerichtsgebühren von US$ 1.000,– bis 3.000,– einzuzahlen; hinzu kommen Gebühren für das Schiedsgericht, die sich nach Schätzungen von ICANN je nach Zahl der Schiedsrichter in einer Größenordnung von US$ 32.000,– bis 122.000,– oder darüber hinaus bewegen werden.

Modul 4: String Contention

Mit der Phase der „String Contention“ befasst sich sodann Modul 4 des Bewerberhandbuchs. Es regelt all jene Fälle, in denen sich zwei oder mehr Bewerber um die selbe oder eine ähnliche Top Level Domain bewerben. Ähnlichkeit in diesem Sinne besteht, wenn die gewünschte Top Level Domain einer anderen bereits eingeführten oder geplanten zum Verwechseln ähnlich und so geeignet ist, die Internetnutzer zu verwirren. In solchen Fällen appelliert ICANN vorrangig an die Bewerber selbst, eine Lösung zu finden, wobei ein Austausch der gewünschten Endung ausgeschlossen ist. Scheitert die Einigung und wird auch sonst keine Lösung gefunden, entscheidet letztlich eine Internetauktion im Format einer „ascending-clock auction“, bei der sich die Teilnehmer innerhalb vorgegebener Zeitfenster noch oben bieten, so dass sich am Ende das Höchstgebot durchsetzt.

Modul 5 und 6: Transition to Delegation und Top-Level Domain Allocation Terms and Conditions

Die Module 5 und 6 des Bewerberhandbuchs regeln die letzten Schritte vom Ende einer erfolgreichen Prüfung über die Verhandlung des Registry-Vertrages mit ICANN, ersten technischen Tests bis hin zur Eintragung einer neuen Top Level Domain in die Root Zone.

6. Ausblick

Der weitere Fahrplan sieht nun vor, dass die Öffentlichkeit bis 10. Dezember 2010, dem Schlusstag des Meetings im kolumbianischen Cartagena de Indias, Gelegenheit zur Stellungnahme hat. Noch während des Meetings will ICANN diese Stellungnahmen prüfen und gegebenenfalls in den Entwurf einfließen lassen, um über die Endfassung zu beschliessen; diese soll dann am 10. Januar 2011 veröffentlicht werden. Im Anschluss folgt eine viermonatige „communications campaign“; was genau darunter zu verstehen ist, hat ICANN bisher offen gelassen. Ab voraussichtlich 30. Mai 2011 nimmt ICANN dann die ersten Bewerbungen um eine neue Top Level Domain entgegen.

Die vorläufige Endfassung des Bewerberhandbuchs finden Sie im Volltext hier.

Weitere Informationen finden Sie hier.

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