Für die Internet-Verwaltung ICANN kommt es knüppeldick: knapp zwei Monate vor dem Beginn der Bewerbungsphase um neue globale Top Level Domains (new gTLDs) formiert sich erneut harter Widerstand gegen das gesamte Programm.
»Coalition for Responsible Internet Domain Oversight« (CRIDO) – hinter diesem biblischen Kürzel steckt die jüngste Organisation, die ICANN zum Stopp des Programms zur Einführung von new gTLDs zwingen will. 87 vorrangig in den USA ansässige Unternehmen haben sich darin zusammengetan, um »aggressiv« gegen die Einführung neuer Domain-Endungen zu kämpfen. An ihrer Spitze steht die Association of National Advertiser (ANA), die bereits vor einigen Wochen Protest gegenüber ICANN angekündigt hatte; hinzu kommen als Unterstützer global tätige Markenunternehmen wie Burger King Corporation, Coca-Cola Company, Dell Inc., General Electric Company, Hewlett-Packard Company oder Procter & Gamble. Gemeinsam will man eine Petition verfassen und beim US-Wirtschaftsministerium einreichen. In einer Pressemitteilung kritisieren sie die mangelnde Rechtfertigung neuer Endungen, fehlendes öffentliches Interesse, exzessive Kosten und Schaden für Markeninhaber als auch Verbraucher. »Wir bitten die ICANN daher inständig darum, ihre Bemühungen einzustellen und von diesem unausgereiften, unerwünschten und destruktiven Programm Abstand zu nehmen«, so Bob Liodice, Präsident und CEO der ANA. Über ihren Rechtsanwalt Doug Wood ließ CRIDO weiter mitteilen, den Kampf auch nach Öffnung des Bewerberfensters am 12. Januar 2012 nicht zu beenden. Warum CRIDO erst jetzt die Öffentlichkeit sucht, und die zahlreichen öffentlichen Kommentierungsphasen bei ICANN kaum genutzt hat, lässt die Vereinigung aber offen.
Doch damit nicht genug. Wie in der vergangenen Woche ebenfalls bekannt wurde, haben Manwin Licensing International sowie Digital Playground, Inc., unter anderem mit Youporn zwei der grössten Anbieter pornographischer Inhalte im Internet, beim Central District Court of California in Los Angeles insbesondere wegen eines Verstoßes gegen den Sherman Antitrust Act Klage gegen ICANN sowie die .xxx-Verwalterin ICM Registry LLC eingereicht. Konkret behaupten die Kläger Verletzungen des Kartell- und des Wettbewerbsrecht durch so genannte defensive Registrierungen im Zuge der Einführung von .xxx-Domains, da Markeninhaber gezwungen seien, die Domains für teures Geld zu registrieren, um keinen Schaden beispielsweise durch Irreführung oder Verwässerung ihrer Kennzeichen zu erleiden; diese Kosten würden jeden Nutzen von .xxx übersteigen. Mit dieser Argumentation ließe sich auch jede andere neue Top Level Domain angreifen. Von ICANN war bisher jedoch nur zu erfahren, dass die beauftragten Rechtsanwälte die Klage prüfen; weitere Kommentare werde man vorläufig nicht abgeben.
In diesem Strudel mächtiger Interessengruppen und Unternehmen beinahe unterzugehen droht dagegen der Protest der Screen Actors Guild (SAG), der Schauspielergewerkschaft in den USA. Deren Geschäftsleiter David P. White teilte mit, dass man gegenüber dem US-Wirtschaftsministerium schriftliche Bedenken gegen das new gTLD-Programm erhoben habe. In dem zweiseitigen Schreiben äußert man sich vor allem besorgt über die Zeit und die Kosten, die Markeninhaber in den Schutz ihrer Zeichen investieren müssten; Zeit und Geld, das letztlich den Schauspielern fehlen würde. Das Ministerium solle daher dafür sorgen, dass das Programm verschoben werde, bis ICANN seine Vorteile wie mehr Sicherheit im Internet oder einen die Kosten übersteigenden Nutzen überzeugend nachgewiesen habe. Eine öffentliche Stellungnahme von ICANN war bisher nicht zu erhalten.