Mit der in Genf ansässigen World Intellectual Property Organisation (WIPO) schliesst sich eine weitere Organisation der allgemeinen Kritik an den Plänen ICANNs, zahlreiche neue Top Level Domains zuzulassen, an. Mit der eigenen Arbeit zeigt sich die WIPO indes zufrieden.
Seit dem Jahr 1998 beschäftigt sich die WIPO mit den Herausforderungen des Domain Name Systems insbesondere für die Inhaber von Kennzeichenrechten. Anlässlich einer Generalversammlung Ende September 2008 zog die UN-Organisation ein erstes Fazit ihrer Arbeit, um zugleich einen Ausblick in die Zukunft zu geben. Als Schiedsgericht für Streitigkeiten nach der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy hat man inzwischen über 13.500 Urteile gefällt, wobei für 2007 angesichts eines Anstiegs von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr und insgesamt 2.156 Fällen ein historischer Höchststand zu vermelden war. Von Rechtsverletzungen besonders betroffen sind die Bereiche Biotechnologie, Pharmazie, Bank- und Finanzwesen, IT und Entertainment. Mit inzwischen über 400 Markenexperten versucht die WIPO, diesem Anstieg gerecht zu werden. Die Entscheidungssammlung zählt dabei zu den meistbesuchten Internetangeboten der WIPO, und stellt mit ausgewählten Fällen eine wertvolle Hilfe für die Parteien dar.
Nüchtern stellt die WIPO fest, dass Domains nicht mehr wie früher vorrangig Identifikationszwecken dienen, sondern nicht zuletzt angesichts von Entwicklungen wie anonymen Registrierungen, einer wachsenden Anzahl von Domainern, Domain-Parking und der automatisierten Registrierung ausgelaufener Domains vorrangig einen kommerziellen Wert innehaben. Vor allem anonymisierte Anmeldungen scheinen das Gericht zusehends vor Hürden zu stellen, hinter denen sich Cybersquatter verstecken. Aufgrund ihrer rechtlichen wie praktischen Herausforderungen schenkt die WIPO jedoch vor allem zwei aktuellen Beschlüssen von ICANN besonderes Augenmerk: zu nennen ist zum einen die Ankündigung von ICANN, ab dem 2. Quartal 2009 eine neue Runde zur Einführung neuer Top Level Domains zu starten. Hier betont die WIPO, sich derzeit in Gesprächen mit ICANN zu befinden, um die Position von Markenrechtsinhabern zu wahren und um auf die weiteren Entwicklungen Einfluss zu nehmen. Zum anderen schätzt man die Einführung von internationalisierten Top Level Domains wohl ebenfalls als kritisch für Rechteinhaber ein.
Allen Inhabern von Kennzeichenrechten kann dieses WIPO-Papier von der Generalversammlung als Leitfaden für die weiteren strategischen Herausforderungen dienen, da es nicht nur eingeleitete Entwicklungen aufzeigt, sondern kommende Risiken benennt. Da die WIPO unmissverständlich zum Ausdruck bringt, sich in die ICANN-Planungen unmittelbar einzubringen, scheint man zudem weder länger zusehen zu wollen noch zu können.