Zwei Drittel der Internet-Nutzer glauben, dass das Internet durch die Einführung neuer Top Level Domains (TLDs) voll mit sinnlosen Domain-Namen wird. Zu diesem Ergebnis gelangt der französische Domain-Registrar Gandi.net in einer Umfrage. Bei der Internet-Verwaltung ICANN nimmt man dieses Ergebnis ernst.
Im Auftrag von Gandi befragte das in London ansässige Marktforschungsunternehmen Future Laboratory 1.000 Briten aus allen Altersschichten, um herauszufinden, ob, wo und wie sich ihr Internetverhalten mit der Liberalisierung des TLD-Raums ändere. Und das Echo fällt ernüchternd aus: 65 Prozent der Befragten fürchten neue, sinnlose Domain-Namen, während 57 Prozent der Ansicht sind, das Internet werde dadurch unübersichtlich und verwirrend. Für 46 Prozent wird die Navigation zu komplex, für 41 Prozent gerät sie sogar außer Kontrolle. Zwei Dritteln der befragten britischen Unternehmen war schon nicht bewusst, dass die Liberalisierung des TLD-Raums intensiv verfolgt wird; ein Drittel der kleinsten Unternehmen beschwert sich jedoch, das sie die von ihnen gewünschte Domain unter den bisher existierenden TLDs nicht erhalten können.
Wenig überraschend ist, dass Unternehmen durch neue TLDs verstärkt Cybersquatting und hohe Kosten für die vorsorgliche Registrierung ihrer Domains fürchten. Diese Sorgen müsste die Domain Name Industry vor Einführung neuer TLDs ansprechen. Befragt, welche neuen TLDs sie für nützlich halten, verweisen die Teilnehmer auf die Endungen .music, .yourcity, .sport, .yourprofession und .brand. Je mehr die Befragten also persönlich von einer TLD profitieren, für desto sinnvoller halten sie deren Einführung.
Kritik an dem Gandi-Bericht, aber auch Selbstkritik kommt von Brad White, ICANN-Director of Media Affairs. Im ICANN-eigenen Blog bezeichnete er die von Gandi veröffentlichten Pressemitteilungen zwar als „Schock“, nachdem sich bei ICANN die letzten beiden Jahre fast alles um die neuen TLDs gedreht hat, man nun aber feststellen muss, dass dies von einer größeren Öffentlichkeit unbemerkt blieb. Dennoch lässt Gandi laut White unerwähnt, dass 81 Prozent der befragten britischen Unternehmen neue TLDs als innovativ und 75 Prozent als fortschrittlich bezeichnen. Es stehe mindestens eine weitere öffentliche Auslegung des Bewerberhandbuches an; nach Veröffentlichung der Studie sei es gleichwohl eine Sorge von ICANN, dass dies unbemerkt bleibe oder die Ansicht entstehe, man könne auf den TLD-Prozess keinen Einfluss nehmen. Die Gandi-Studie befeuere daher die öffentliche Diskussion, und sei so willkommen.
Stephane Van Gelder vom französischen Registrar INDOM nimmt dagegegen Druck vom Kessel. So solle White vom Ergebnis der Studie nicht überrascht sein; er kenne Gandi-Boss Stephan Ramoin und dieser habe sich bisher stets energisch gegen neue TLDs ausgesprochen, so dass das Ergebnis der Befragung nicht überrasche. Für reichlich Diskussionsstoff anlässlich des ICANN-Meetings Ende des Monats in Sydney ist also gesorgt.