Neue TLDs

fährt ICANN gegen die Wand?

Die Internet-Verwaltung ICANN gerät mit ihren Plänen zur Einführung zahlreicher neuer Top Level Domains immer mehr unter Druck: nach heftiger Kritik der US-Regierung haben nun auch zahlreiche internationale Großkonzerne Protest angemeldet.

Wohl selten zuvor erreichte die öffentliche Teilnahme in der so genannten „comment period“ ein derartiges Ausmaß: an die 200 Kommentatoren von häufig global tätigen, namhaften Wirtschaftsunternehmen haben sich in einem eigens eingerichteten ICANN-Forum zu Wort gemeldet, um ihre Bedenken zu äußern. So empfiehlt beispielsweise MarkMonitor, mit über 50 der „Fortune 100“-Unternehmen einer der größten Registrare für US-Konzerne und somit eine Art von Sprachrohr, dass ICANN seine Entscheidung überdenken und angesichts der weltweiten Rezession zunächst Studien einholen möge, die den wirtschaftlichen Bedarf nach einer Erweiterung des Adressraums belegen. Von der eigenen Kundschaft (darunter eBay, FedEx, Nike, Goodyear, Verizon und Viacom) sei an neuen Endungen zunächst kein Interesse geäussert worden; seit jedoch feststehe, dass neue TLDs kommen sollen, bevorzuge man eine Verzögerung, bis sichere Mechanismen zum Schutz ihrer Kennzeichen entwickelt seien. Zu den Kritikern, die sich bei ICANN inhaltlich ähnlich äussern, zählen weiter Adobe, HP, BBC und MARQUES, die europäische Organisation der Markenrechtsinhaber.

Auch Microsoft erhebt gegen die Einführung neuer generischer Top Level Domains Widerspruch. Vertreter aus der Markenabteilung bezweifeln, dass neue TLDs für mehr Wettbewerb sorgen; zudem würden sie die Sicherheit und Stabilität des Internets gefährden, in dem sie beispielsweise die Möglichkeiten für Online-Betrügereien erweitern. Nicht zuletzt fürchtet Microsoft auch die Kosten, da man zu einer – selbst auch nur defensiven – Registrierung gezwungen sei, während ICANN selbst US$ 100 Mio. mit der Einführung einnehme. In eine ähnliche Kerbe schlägt AT&T, wo man unnötige Kosten fürchtet, die am Ende die Kunden zu tragen hätten. Mediengigant Time Warner stellt die Frage, wer aus der Einführung neuer Kürzel überhaupt einen Vorteil ziehe, und befürchtet ebenfalls massives Cyber- sowie Typosquatting als auch skrupellose Domain-Spekulanten. Weitgehend einig sind sich die Unternehmen in der Frage, dass internationalisierte Domain-Namen auf Ebene der Top Level Domain ebenso wie so genannte „sponsored TLDs“, die wie .aero oder .museum lediglich einem eng begrenzten Kreis offen stehen, kaum problematisch sind; allerdings ist das Interesse an solchen Endungen auch verschwindend gering.

Kaum ein Kommentator spart mit Vorschlägen, wie ICANN auf die Kritik reagieren könnte. Angefangen bei einer Ausweitung von Sperrlisten über ein „thick WHOIS“ mit ausführlichen, öffentlichen Informationen zum Domain-Inhaber bis zur Einführung einer Kostentragungspflicht des Unterlegenen in den diversen Streitschlichtungsverfahren reichen die Vorschläge. Bei ICANN zeigt man sich bisher jedoch von alldem unbeeindruckt: in der wohl ersten eigenen Werbeanzeige in der Weihnachtsausgabe des „The Economist“ wirbt ICANN unter dem Titel „New Generic Top Level Domains – Openness, Change, Innovation“ für seine TLD-Pläne; doch von der Umsetzung scheint man weiter entfernt zu sein als je zuvor.

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