ICANN

ANA fordert Stopp des nTLD-Programms

Die Internet-Verwaltung ICANN gerät wegen ihrer Pläne zur Einführung neuer generischer Top Level Domains erneut heftig unter Beschuss: die US-amerikanische ANA (Association of National Advertisers) hat mit Klage gedroht, sollte ICANN das nTLD-Programm nicht sofort stoppen.

Harsch und unverblümt ist das neunseitige Schreiben, in dem sich ANA-CEO Robert Liodice an ICANN-CEO Rod Beckstrom wendet und gravierende Mängel im nTLD-Programm kritisiert. Die Organisation, hinter der nach eigenen Angaben über 400 Unternehmen mit mehr als 10.000 Marken und einem Werbebudget von US$ 250 Milliarden jährlich stehen, begründet ihre Auffassung in oft starken, plakativen Worten und Bildern. So ist die Rede von „wirtschaftlich unerträglich“, „Missbrauch von Marken“, „unsäglichen Kosten“ und einer schlichten Verletzung des menschlichen Verstands. Man fordere ICANN daher auf, die gesteckten Ziele neu zu bewerten und – gemeinsam mit ANA – an besseren Lösungen zu arbeiten, zu denen das nTLD-Programm sicher nicht gehöre. Sollte ICANN dieser Aufforderung dagegen nicht nachkommen, bliebe ANA und den Mitgliedern keine andere Wahl, als jede notwendige Maßnahme an jeder geeigneten Stelle zu ergreifen, um die Implementierung des Programms zu verhindern. Besonderes Gewicht will man dem Schreiben mit dem Hinweis verleihen, dass als Empfänger unter anderem auch Lawrence E. Strickling (US-Wirtschaftsministerium) sowie ausgewählte Kongressmitglieder aufgeführt werden.

ICANNs Antwort ließ nicht lange auf sich warten: in einer für die Organisation unerwartet scharfen Form wies Beckstrom darauf hin, dass die von ANA erhobenen Vorwürfe entweder inkorrekt oder problematisch seien. Bereits die Behauptung einer mangelnden Einbindung aller beteiligten Interessengruppen sei falsch; es hätten mindestens 45 mehrwöchige Kommentarphasen stattgefunden, bei denen tausende Kommentare eingegangen, ausgewertet und berücksichtigt worden seien. Das Volumen der daraufhin vorgenommenen Änderungen sei durch die sieben Entwurfsfassungen des Bewerberhandbuchs gut dokumentiert. Der Vorwurf der „ungehemmten Expansion“ des Namensraumes belege dagegen, dass ANA das nTLD-Programm nicht verstanden habe; zahlreiche Regelungen im Bewerberhandbuch würden vielmehr für jeden Bewerber hohe Hürden schaffen, bevor eine neue Endung tatsächlich in Betrieb genommen wird. Wer keine eigene Endung wolle, müsse sich darum auch nicht bewerben. Zusammenfassend verdeutlichte Beckstrom, dass ICANN sowohl sein „multi-stakeholder model“ als auch den im nTLD-Programm gefundenen Kompromiss energisch verteidigen werde.

Ungeachtet aller Kritik, die das nTLD-Programm begleitet und wohl nie ausgeräumt wird: die ANA muss sich fragen lassen, ob sie den Überblick verloren hat. Nicht nur, dass ICANN bereits vor sechs Jahren öffentlich angekündigt hat, neue Endungen einzuführen und anlässlich der letzten Meetings rund um den Globus mehrfach Gelegenheit war, sich in die öffentliche Diskussion einzuschalten (wovon ANA übrigens nur zu Beginn Gebrauch gemacht hat); von ganz besonderer Bedeutung ist, dass das ANA-Mitglied Canon sogar öffentlich angekündigt hat, sich um eine eigene Top Level Domain bewerben zu wollen. Man kann nur wiederholen: das Internet steht vor einer historischen Änderung. Wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt, dem droht, dass er von den weiteren Entwicklungen überrollt wird.

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