Zu den größten Profiteuren der Einführung neuer generischer Top Level Domains (gTLDs) könnten die Länderkürzel (ccTLDs) gehören. Zu dieser Einschätzung ist das Council of European National Top-Level Domain Registries (CENTR) gelangt.
Dutzende, hunderte, möglicherweise sogar tausende neuer generischer Top Level Domains – geht es um das von ICANN vorbereitete Bewerbungsverfahren für nTLDs, schießen die Spekulationen wild ins Kraut. Beinahe unter den Tisch fällt, dass es aktuell schon mehr als 240 Länderendungen gibt, deren Potential bisher nicht annähernd genutzt ist. Anlass genug für CENTR, eine in Belgien ansässige gemeinnützige Vereinigung von ccTLD-Registries, sich mit den Auswirkungen einer nahezu grenzenlosen Öffnung des Domain Name Systems zu beschäftigen. Zunächst verweist CENTR darauf, es sei zwar unklar, ob eine neue Endung erfolgreich sein werde; doch die Domain Name Industry expandiere kräftig mit der Entstehung neuer Dienstleistungen wie technisch tätigen Registries und Backend-Providern (z.B. VeriSign oder Neustar), beratend tätigen Registries (wie SIDN) oder Validierungsunternehmen (wie Valideus). Zudem schaffe das Bewerberhandbuch handfeste Kriterien, die erstmals auch ein Benchmarking für ccTLD-Betreiber erlauben.
Für ccTLDs selbst bietet die Öffnung des Namensraumes nach Einschätzung des CENTR Chancen wie Risiken. So zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass die Einführung neuer Endungen die Dominanz von .com und der führenden Länderkürzel wie .de oder .uk nicht abgeschwächt, sondern sogar verstärkt hat, und so das Vertrauen in etablierte und bekannte ccTLDs wächst. Angesichts der Kosten würden die Domain-Inhaber auch nicht aus einer bestehenden in eine neue Endung fliehen; so habe die Einführung von .eu kaum Einfluss auf die Registrierungszahlen unter .nl genommen. Allerdings könnte so manche Endung dank eines innovativen Geschäftsmodells quasi wie soziale Netzwerke im Stil von Facebook über Nacht zum Star avancieren. Auch werde die Rolle von Registraren als Zugangskanal zum Markt gestärkt, womit Länderendungen neuem Druck ausgesetzt wären. CENTR rief die ccTLD-Betreiber daher zu Wachsamkeit auf, und dazu, die sich bietenden Chancen nicht verstreichen zu lassen.
Dass die Welt der ccTLDs nicht stillsteht, belegt die erst Ende letzten Jahres erfolgte Eintragung der in der Karibik gelegenen Inselstaaten Bonaire, Saba und Sint Eustatius (.bq), Curaçao (.cw) und Sint Maarten (.sx) in das Domain Name System; eine Registrierung ist zwar noch nicht möglich, aber auch ohne erfolgreiches Bewerbungsverfahren bei ICANN grundsätzlich denkbar. Auch die französische Registry AFNIC hat angekündigt, das Potential der von ihr mitverwalteten Endungen .gf (Französisch Guyana), .mq (Martinique) und .gp (Guadaloupe) besser nutzen zu wollen. Gleiches gilt für die Länderkürzel .pf (Französisch-Polynesien), .pm (St. Pierre und Miquelon), .tf (Französische Südgebiete), .wf (Wallis und Futuna) sowie .yt (Mayotte), die ebenfalls mittelbar oder unmittelbar in Händen von AFNIC liegen. Es besteht daher kein Anlass, den Schwanengesang für ccTLDs anzustimmen.