Domain-Recht

»first come, first served« – oder? (Teil 1)

Teil 1: Namensrecht (shell.de, krupp.de u.a.)

Damals, in den frühen Tagen des Internet, kurz vor dem Boom mitte der 90er des vergangenen Jahrhunderts, da gab es eine unumstößliche Regel für die Rechte an einer Domain: first come, first served! Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Schaut man sich aber um, kommen einem massive Zweifel, ob diese Regel heute noch gilt.

Hat nicht dieser Tage (um genau zu sein: am 22.11.2001) der BGH bei seiner Entscheidung shell.de deutlich gemacht, das der Erste nicht den besten Stand hat? Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor, aber der BGH hat mehr oder weniger die vorangegangenen Entscheidungen des Landgericht und des Oberlandgerichts zur shell.de bestätigt und in einer Pressemitteilung die Erwägungen kurz angerissen.

Was war? Herr Dr. Andreas Shell hat von einem Dritten die Domain shell.de erworben. Die deutsche Dependence des Ölmulti Shell reklamierte die Domain aber für sich und gewann in allen Instanzen des Rechtsstreits. Das Unternehmen war erfolgreich, obgleich Herr Dr. Shell auf eine lange Namensgeschichte zurückblicken kann. Aber ähnlich wie in der Entscheidung krupp.de (OLG Hamm, Urteil vom 13.1.1998, Az. 4 U 135/97) waren die Gerichte der Ansicht, der überragend bekannte Name des Unternehmens habe Vorrang vor dem „einfachen Bürger“.

In seiner Pressemitteilung vom 23.11.2001 läßt der BGH verlautbaren:

„Der Bundesgerichtshof war allerdings der Ansicht, daß die Interessen der Parteien im Streitfall von derart unterschiedlichem Gewicht seien, daß es ausnahmsweise nicht bei der Anwendung der Prioritätsregel bleiben könne. Die zwischen Gleichnamigen geschuldete Rücksichtnahme gebiete es, daß der Beklagte [Dr. Andreas Shell, D.D.] für seinen Domain-Namen einen Zusatz wähle, um zu vermeiden, daß eine Vielzahl von Kunden, die sich für das Angebot des Unternehmens Shell interessierten, seine Homepage aufriefen.“

Hier klappts also nicht mit first comes, first served! Und das wäre nicht das erste Mal. Man erinnere sich an krupp.de. Der Rechtsstreit ging nicht bis zum BGH, denn mit der Entscheidung des OLG Hamm hatte der beklagte Unternehmer mit Namen Krupp aufgegeben. Das Gericht war der Ansicht (Urteil vom 13.1.1998, Az.: 4 U 135/97), dass ein Unternehmen mit überragender Verkehrsgeltung die Nutzung des Firmenschlagwortes durch einen Dritten als Domain untersagen kann. Dies gelte auch bei Identität von Firmenschlagwort und Familiennamen des Dritten.

Wobei beide Urteile signifikante Unterschiede aufweisen. So nutzte Herr Krupp die Domain geschäftlich, im Gegensatz zu Herrn Dr. Shell, der seine Domain privat nutze (aber sie wohl zeit- und teilweise für ein Übersetzungsbüro geschäftlich mit nutzte). Doch die Frage des geschäftlichen oder privaten Gebrauchs einer Domain ist unbedeutend, wenn der Anspruch auf Unterlassung sich aus dem Namensrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt. Hier greift § 12 BGB:

„Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.“

Hier, im Gegensatz zu Ansprüchen aus dem Marken- und Wettbewerbsrecht, muss der Kennzeichennutzer nicht im geschäftlichen Verkehr auftreten (vgl. Handeln im geschäftlichen Verkehr), um die Rechte des anderen Namensträgers zu beeinträchtigen.

Der zweite Unterschied zwischen den genannten Urteilen ist allerdings von einiger Bedeutung. Während in der jüngsten Entscheidung der Kläger tatsächlich „Shell GmbH“ heißt, klagte in dem anderen Verfahren der „ThyssenKrupp“ Konzern. Und während man beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, warum das Öl-Unternehmen eine entsprechende Domain registrieren soll (also shellgmbh.de oder shell-gmbh.de), war für das OLG Hamm klar, dass der Begriff „Krupp“ ein Firmenschlagwort ist, das letztlich für die gesamte Stahlindustrie steht und aufgrund dessen alleine dem Unternehmen ThyssenKrupp der Anspruch auf die Domain gebührt. Das Unternehmen nutzt die Domain mittlerweile auch excessiv, indem es von krupp.de den Interessierten direkt auf thyssenkrupp.de um leitet.

Was bei dem Unternehmen ThyssenKrupp unproblematisch war (der Doppelname), wurde im Rahmen des Streites um die Domain veltins.com dem Domain-Inhaber mit zum Verhängnis. Hier klagte die Veltinsbrauerei gegen eine Textilfrabrik mit einem Doppelnamen, der neben Veltins einen weiteren Namen umfaßt, und gegen ein Internet-Service Unternehmen, welches die Domain für das Textilunternehmen treuhänderisch verwaltete. Nach Ansicht des OLG Hamm (Urteil vom 19.06.2001, Az.: 4 U 32/01) sei der zweite Name des Textilunternehmens ebenso prägend wie der Bestanteil „Veltins“, weshalb kein auf dem Namen gegründetes Recht an der Domain veltins.com bestehe.

Der Vollständigkeit halber sei allerdings darauf hingewiesen, dass dies für das OLG Hamm nur ein Nebenschauplatz war, denn die Entscheidung wurde nach Marken- und Firmenschutzrechten entschieden, deren Prüfung der des Namensrechts vorgehe.

Letztlich laufen die Begründungen der drei Entscheidungen darauf hinaus, dass das Recht der zeitlichen Priorität, sei es unmittelbar bezogen auf den Zeitpunkt der Domain-Registrierung, sei es auf das Alter des Rechts an dem Kennzeichen (hier den jeweiligen Namen), dieses Recht zerschellt an der überragenden Bekanntheit des konkurrierenden Namensträgers. Der Grundsatz der zeitlichen Priorität wird ausgehebelt, wenn ein überragend bekannter Namensträger Ansprüche geltend macht.

Dabei wird von den Gerichten immer auch berücksichtigt, was der Internetnutzer erwartet. Die Erwartungshaltung des Nutzers ist ein wesentliches Kriterium für die Bekanntheit des Namensträgers. Und der Nutzer soll im Internet nicht enttäuscht werden. Ob aber jemand den Nutzer einmal gefragt hat, ist bisher nicht bekannt.

Und wie sieht es bei den Städtenamen aus?

Den 2. Teil finden Sie hier, den 3. Teil finden Sie hier.

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