Domain-Namen und Namensrecht in der Schweiz

montana.ch

Das schweizer Bundesgericht hat am 23.07.2002 über die Domains montana.ch (Dossiernummer 4C.25/2002) und luzern.ch (Dossiernummer 4C.9/2002) entschieden und sprach sie in beiden Fällen der klagenden Gemeinde bzw. Stadt zu. In beiden Entscheidungen hat das schweizer Bundesgericht zahlreiche Fragen zum Domain-Recht geklärt, den Streitwert, das Namensrecht und andere Punkte betreffend. Nachdem zunächst die Entscheidung luzern.ch vorgestellt wurde, wenden wir uns diesmal der Entscheidung montana.ch zu.

Streitwert
In dem Rechtsstreit um die Domain montana.ch hatte bereits das Kantonsgericht Wallis ausschließlich auf Grundlage des Namensrechts nach Art. 29 ZGB entschieden. Schadensersatzansprüche wurden keine geltend gemacht. Es handelte sich somit um eine nicht vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit gemäss Art. 44 OG. Aus diesem Grunde musste das schweizer Bundesgericht sich zum Streitwert nicht äußern.

Das Namensrecht der Gemeinde
Auch für die Bezeichnung »Montana« bestätigte das schweizer Bundesgericht, er individualisiere die gleichnamige Walliser Gemeinde. Die isolierte Verwendung der Bezeichnung eines bekannten Gemeindenamens bezeichnet also genau die Gemeinde. Gemeindenamen stehen damit unter dem Schutz des Art. 29 ZGB.

Gleichnamigkeit
Anders als in dem Domain-Streit luzern.ch lag bei montana.ch die Frage der Gleichnamigkeit der streitenden Parteien nahe. Inhaber der Domain montana.ch war das Institut Montana Betriebs AG, eine Zuger Privatschule. Das Gericht brauchte diese Frage jedoch nicht zu klären, da es über zwei Hypothesen zum gleichen Ergebnis kam:

1. Läge zwischen den Parteien Gleichnamigkeit vor, so hätte dies eine Interessenkollision zur Folge, die nicht schematisch gelöst werden dürfte. Im Bereich der Gleichnamigkeit kommt es nicht auf das Prinzip »first come, first served!« an. Vielmehr ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, welche im Fall »montana.ch« aufgrund des Bekanntheitsgrades der gleichnamigen Gemeinde auf dem Gebiet des Tourismus und des Skisports klar zugunsten der Gemeinde Montana ausgefallen wäre.

2. Läge aber keine Gleichnamigkeit vor, da der Name der Privatschule eben mehr als die Bezeichnung »Montana« und die Gesellschaftsform umfasst, müßte man von einer Namensanmaßung seitens der Privatschule ausgehen, aufgrund der Registrierung des Domain-Namens montana.ch durch die unberechtigte Beklagte. Das hätte, wie im Streitfall luzern.ch eine offensichtliche Verwechslungsgefahr zur Folge. Dies hat das schweizer Bundesgericht auch im Fall montana.ch so entschieden.

In beiden möglichen Fällen unterläge die beklagte Privatschule, so dass der Klage stattgegeben werden konnte.

Anspruch auf Übertragung?
Im Gegensatz zum schweitzer Bundesgericht, das in seiner Entscheidung luzern.ch die Ansicht vertrat, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 29 Abs. 2 ZGB sei die Verpflichtung zur Abgabe aller nötigen Erklärungen durch die Namensrechte verletzende Partei zur Durchsetzung des Übertragungsanspruchs der verletzten Partei geeignet und verhältnismässig zum Schutze des Namens der verletzten Partei, vertrat das walliser Kantonsgericht die Ansicht, dass eine Übertragung der Domain nicht aus den Anspruchsgrundlagen zum Namensrecht folge.

Das schweitzer Bundesgericht hat mit seiner luzern.ch-Entscheidung jedoch alle Unsicherheiten zu dieser Frage beseitigt. Der berechtigte Namensträger hat gegenüber dem bisherigen Inhaber des Domain-Namens einen klagbaren Anspruch auf Abgabe aller für eine Übertragung notwendigen Erklärungen.

Die Frage stellte sich im Rechtsstreit montana.ch vor dem schweizer Bundesgericht nicht mehr, da vor diesem der Anspruch auf Schadensersatz nicht erhoben wurde.

montana.ch, luzern.ch und der Streit um Domain-Namen in der Schweiz
Mit einer Prozesslawine ist trotz der Entscheide des schweizer Bundesgerichts im Zusammenhang mit Gemeindenamen nicht zu rechnen. Die schweizerische Vergabestelle »Switch« überprüft heute bei der Registrierung von Domain-Namen eine Liste mit ca. 6.000 Namen von Gemeinden mit mindestens 50 Einwohnern. Die Vergabebestimmungen unter Switch sind restriktiv. Erst vor kurzem wurde die Schwelle von 500.000 registrierten Domains überschritten. Dass ein Gemeindename von einem unberechtigten registriert wird, ist recht unwahrscheinlich.

Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) hat unterdessen einen Entwurf der »Technischen und administrativen Vorschriften (TAV) für die Zuteilung und Verwaltung der Domain-Namen der zweiten Ebene, die der Internet-Domain ›.ch‹ untergerodnet sind« veröffentlicht. Die TAV werden die bisherige ›Policy‹ von Switch ersetzen. In Ausführung von Art. 14f Abs. 4 AEFV (Reservation von Kategorien von Domain-Namen durch das Bundesamt) sehen die TAV in Ziff 2.4 vor, dass die im Annex der TAV aufgeführten Gemeinden (es sind 2964 Namen aufgeführt) von der Registrierung durch unberechtigte ausgeschlossen sind; ausgenommen sind gleichnamige Personen! Bis zum Entscheid über einen allfälligen Erlass des entsprechenden Annexes kann Switch die bisherige Praxis im Bereich der Gemeindenamen weiterführen.

In der Schweiz ist es unter der Top Level Domain ».ch« bisher in weniger als 0,0001 % aller registrierten Domain-Namen zu Rechtsstreiten vor schweizer Zivilgerichten gekommen. Ob unter diesen Bedingungen für eine so geringe Zahl von Rechtsstreiten ein Domain-Streitschlichtungsdienst (wie in Art. 14g Verordnung über die Adressierungselemente im Fernmeldebereich (AEFV)) sinnvoll ist, steht dahin.

Die Registrierung und Verwendung beschreibender Angaben (z.B. Berufsbezeichnungen) als Domain-Namen ist in der Schweiz grundsätzlich zulässig. Wo die Grenzen der Unlauterkeit zu finden sind, ist umstritten. Problematisch dürften Fälle sein, bei denen der Inhaber keinerlei schützenswerte Interessen an dem Domain-Namen hat und eine unzulässige Behinderung des Berechtigten oder die Irreführung der Internetnutzer die Folge der Domain-Registrierung ist.

Die Entscheide des Bundesgerichts können direkt auf der Webseite des Bundesgerichts abgerufen werden. Unter der Rubrik »Rechtsprechung« findet man die »Urteile ab 2000«. Diese aufrufend erscheint eine Suchmaske, in die man die Dossiernummer eingibt: luzern.ch findet man über die Dossiernummer 4C.9/2002 im Volltext, montana.ch über die Dossiernummer 4C.25/2002.

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