Das Oberlandesgericht Nürnberg hat sich in einem Prozesskostenhilfeverfahren ausführlich mit der Störerhaftung als solcher und der von Suchmaschinenbetreibern im Besonderen auseinander gesetzt und kam zu überzeugenden Ergebnissen: Wer seiner Prüftpflicht nachkommt, gewinnt.
Der Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahrens wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt und kam Anfang 2008 auf Bewährung frei. Aus mehreren gerichtlichen Entscheidungen ergibt sich, dass über den Antragsteller nicht mehr öffentlich unter seiner vollen Namensnennung berichtet werden darf.
Die Antragsgegnerin betreibt die weltweit größte Internetsuchmaschine. Sie verlinkt auf eine Webseite, auf der ein Beitrag veröffentlicht ist, in dem der volle Name des Antragstellers im Zusammenhang mit dem Verbrechen, für das er verurteilt wurde, genannt wird. Der Antragsteller wandte sich über seinen Anwalt an den Suchmaschinenbetreiber und forderte diesen unter Vorlage der gerichtlichen Entscheidungen auf, die Seite aus der Ergebnisliste zu entfernen, da andernfalls eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliege. Der Suchmaschinenbetreiber prüfte die Angelegenheit anhand der vorgelegten Entscheidungen, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Gerichte keinesfalls jede namentliche Erwähnung eines Straftäters als Persönlichkeitsrechtsverletzung ansehen, sondern dass jeweils im Einzelfall eine detaillierte Prüfung und Abwägung angestellt wurde. Der Suchmaschinenbetreiber nahm die fragliche Seite nicht aus der Ergebnisliste.
Der Antragsteller strengte ein Prozesskostenhilfeverfahren an, um gegen den Suchmaschinenbetreiber vorzugehen. Das LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 6. Mai 2008, Az.: 11 O 51/08) wies den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht zurück. Das Gericht meinte unter anderem, der Suchmaschinenbetreiber hafte nicht, da der durch den Suchvorgang angezeigte Hyperlink auf eine fremde Internetseite deutlich zeige, dass es sich nicht um eine zu Eigen gemachte Behauptung des Suchmaschinenbetreibers, sondern um eine fremde Information handle, für die der Suchmaschinenbetreiber nicht als Verbreiter im Sinne des § 1004 BGB analog verantwortlich sei; mithin sei der Suchmaschinenbetreiber kein Störer.
Der Antragsteller legte sofortige Beschwerde ein, der das Landgericht Nürnberg nicht abhalf, so dass nun das OLG in Nürnberg über die Sache zu befinden hatte. Dieses wies die sofortige Beschwerde des Antragstellers ebenfalls zurück (Beschluss vom 22.06.2008, Az.: 3 W 1128/08). Das OLG Nürnberg meint zunächst, es könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob mit dem Inhalt der Webseite überhaupt das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers verletzt werde, denn der Antragsgegner sei jedenfalls kein Störer. Es stimmte der Ansicht der Vorinstanz zu, wonach ein Suchmaschinenbetreiber vor Abmahnung durch einen Dritten, der sich in seinen Rechten verletzt sieht, grundsätzlich nicht Störer einer (behaupteten) Rechtsgutverletzung sei. Jedoch ging das OLG Nürnberg weiter ins Detail, und untersuchte unter Bezugnahme auf die letzte BGH-Entscheidung zur Störerhaftung (Entscheidung vom 30.04.08, Az.: I ZR 73/05), wie es für diesen Fall mit möglichen Prüfpflichten und deren Erfüllung aussah.
Das OLG Nürnberg kam dabei nicht umhin, festzustellen, dass der Antragsgegner seiner Prüfpflicht nachkam: er hat anhand der ihm überlassenen Urteile überprüft, ob eine Rechtsverletzung vorlag und kam zu dem Ergebnis, dass keine Rechtsverletzung vorlag. Damit verweigerte er die Entfernung der fraglichen Internetseite aus dem Suchindex. Und das, so das OLG Nürnberg, völlig zu Recht: die vom Antragsteller zitierten gerichtlichen Entscheidungen sind auf den vorliegenden Fall nur sehr eingeschränkt übertragbar, da sie Zeitungsartikel betreffen, die sich ausschließlich mit dem Antragsteller und seiner Tat beschäftigen.
Im Resümee setzt das OLG Nürnberg einen Glanzpunkt. In der Entscheidung heisst es, die Antragsgegnerin sei ihrer Prüfpflicht im vollen Umfang nachgekommen und scheide damit als Störerin der behaupteten Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers aus. Dem ist zu entnehmen, dass es ganz egal ist, ob sich auf der fraglichen Internetseite eine Rechtsverletzung befindet oder nicht; Hauptsache, man kommt seiner Prüfpflicht nach. Ob man innerhalb der Prüfung zum richtigen Ergebnis kommt, blieb sich demnach gleich. Das OLG Nürnberg führt die teilweise – immer noch – absurde Störerhaftungsrechtsprechung so in die richtigen Bahnen.
Ein weiterer Nachsatz des OLG Nürnberg ist eine echte Orientierungshilfe: danach findet der Hinweis der Antragsgegnerin, dass der Rechtsschutz des Antragstellers wesentlich intensiver ist, wenn er gegen den Webseitenbetreiber selbst vorgeht, von Seiten des Gerichts volle Unterstützung; denn, so das OLG Nürnberg, solange diese Webseite im Netz bleibt, kann sie auch mithilfe anderer, durchaus potenter Suchmaschinenbetreiber aufgefunden werden. Das ist ein freundlicher Wink an Betroffene, die sich doch bitte direkt an die Quelle des Übels wenden sollen. Und auch das völlig zu Recht.