BVerfG

Beschlagnahme von eMails rechtmäßig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durfte sich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit sich das Fernmeldegeheimnis auf eMails erstreckt, und in welchem Rahmen die Sicherstellung von umfangreichen eMail-Mengen gerechtfertigt ist (Beschluss vom 16.06.2009, Az.: 2 BvR 902/06).

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen Dritte ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers an, um dort Unterlagen und Datenträger, insbesondere Textdateien und eMails aufzufinden, die als Beweismittel in Betracht kamen. Der Beschwerdeführer nutzte keinen eMail-Client auf seinem Rechner, sondern rief Nachrichten online ab, so dass sich auf seinem Rechner keine eMails befanden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung verwahrte sich der Beschwerdeführer gegen einen Zugriff auf die eMails, weil der Durchsuchungsbeschluss dies nicht zulasse. Das Amtsgericht ordnete die Beschlagnahme der Daten auf dem eMail-Konto bei seinem Provider an. Am selben Tag wurden beim Provider die gesamten etwa 2.500 eMails des Beschwerdeführers aus der Zeit zwischen Januar 2004 und März 2006 auf einen Datenträger kopiert und den Ermittlungsbehörden übergeben.

Der Beschwerdeführer ging dagegen im Wege der Beschwerde zunächst erfolglos vor. Auf einen Eilantrag hin wies das BVerfG das Amtsgericht, das die Beschlagnahme veranlasst hatte, dann aber an, im Einzelnen bezeichnete Datenträger, Ausdrucke und Schriftstücke zu versiegeln und in Verwahrung zu nehmen. In der sich daran anschließenden Prüfung wies das BVerfG die Verfassungsbeschwerde doch zurück. Es ist der Ansicht, die angegriffene Entscheidung genüge den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den damit verbundenen Eingriff in das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG), und der Beschwerdeführer sei durch die Sicherstellung der eMails auf dem Server seines Providers nicht in seinen Grundrechten verletzt.

In der bisher vorliegenden Pressemitteilung zur Entscheidung des BVerfG heißt es: das Post- und Fernmeldegeheimnis gelte auch für zugangsgesicherte Kommunikationsinhalte in einem eMail-Postfach, auf das der Nutzer nur über eine Internetverbindung zugreift. Hier bestehe eine besondere Schutzbedürftigkeit, da dem Nutzer keine technischen Möglichkeiten zu Gebote stehen, mit denen er verhindern könnte, dass der Provider die Daten weitergibt. Dabei komme es nicht darauf an, ob eine eMail auf dem Mailserver des Providers zwischen- oder endgespeichert ist. Unter den Voraussetzungen der §§ 94 ff. StPO könnten die eMails jedoch sichergestellt werden, auch wenn damit zu rechnen ist, dass viele für das Ermittlungsverfahren bedeutungslose Daten gewonnen würden, was grundsätzlich zu vermeiden ist.

Die Sicherstellung von rund 2.500 eMails widerspricht hier nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Grundsätzlich gilt es zu vermeiden, für das Verfahren bedeutungslose Daten zu gewinnen. Aber selbst wenn mit vielen, für das Verfahren bedeutungslosen Daten zu rechnen ist, kann dies von den Regeln für die Beschlagnahme (§§ 94 ff. StPO) gedeckt sein. In der Pressemitteilung heißt es: „Ist den Strafverfolgungsbehörden im Verfahren der Durchsicht unter zumutbaren Bedingungen eine materielle Zuordnung der verfahrenserheblichen E-Mails einerseits oder eine Löschung oder Rückgabe der verfahrensunerheblichen E-Mails an den Nutzer andererseits nicht möglich, steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Beschlagnahme des gesamten Datenbestands nicht entgegen.“

Diese Rechtsprechung erscheint zunächst bedenklich. Ist hier die Sicherstellung von rund 2.500 eMails aus über zwei Jahren wirklich das mildeste Mittel? Gehen die zu ermittelnden Straftatbestände soweit in die Vergangenheit zurück? Waren die Daten auf CD-ROM gespeichert, und wie soll da die Vernichtung der einzelnen Datensätze nach Sichtung erfolgen? Wäre der zeitbeschränkte Zugriff auf das eMail-Konto ein geringerer Eingriff? Solange die ausführlichen Entscheidungsgründe nicht vorliegen, lässt sich das schlechterdings nicht beurteilen; es bleibt aber das mulmige Gefühl über einen sehr weit reichenden Arm der Ermittlungsbehörden und der Gedanke blitzt auf, eMails und andere Daten grundsätzlich unverzüglich nach Kenntnisnahme zu löschen.

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