OGH-Urteil

Österreichs Domain-Recht kippt!

Der Oberste Gerichtshof in Österreich (OGH) hatte als Revisionsgericht über die Frage zu entscheiden, ob eine Domain, deren Inhalte zeitweise Markenrechte verletzte, zu löschen ist (Urteil vom 02.10.2007, Az.: 17 Ob 13/07x). In Abkehr zur bisherigen eigenen Rechtsprechung geht der OGH davon aus, dass, soweit die Nutzung einer Domain nach materiellem Recht nicht gänzlich untersagt werden könne, in der Regel auch kein Anspruch auf Einwilligung in deren Löschung bestehe.

Die Parteien streiten um die Löschung der Domain amade.at. Die Klägerin ist Inhaberin diverser entsprechender österreichischer Marken, teilweise seit 20 Jahren; seit 1998 ist die Wortmarke AMADE auch in der Klasse 42 (Verpflegung, Beherbergung von Gästen und Hotelreservierungen) für die Klägerin eingetragen. Die Beklagten betreiben die Domain amade.at, die vom Beklagten zu 1) 1999 registriert wurde. Seit Dezember 2001 ist eine Marke AMADE auch für die Beklagten eingetragen. Nach einem früheren Rechtsstreit, bei dem die Kläger scheiterten, und ebenfalls gescheiterten Verkaufsverhandlungen, richteten die Beklagten im Januar 2005 auf ihrer Website eine Buchungsplattform für Beherbergungsbetriebe aus dem Land Salzburg ein. Die Kläger erhoben daraufhin Klage und beantragten Unterlassung hinsichtlich der Buchungsplattform sowie Einwilligung in die Löschung der Domain. Die Beklagten stellten im Laufe des Rechtsstreits den Buchungsservice wieder ein und betreiben wieder das Gratis-eMail-Programm, das sie bereits vor dem Buchungsservice unter amade.at betrieben haben.

Vor dem Landesgericht Salzburg erging ein Teilurteil (vom 7. Juni 2006, GZ 4 Cg 70/05h-16), in dem dem Anspruch auf Einwilligung in die Löschung stattgegeben wurde. Das Oberlandesgericht in Linz (Urteil vom 28. März 2007, GZ 1 R 202/06a-20) bestätigte das Teilurteil. Die Beklagte legte dagegen Revision zum Obersten Gerichtshof (OGH) Österreichs ein. Der OGH hob mit Urteil vom 02.10.2007, Az.: 17 Ob 13/07x, die Entscheidung der Vorinstanz auf. In seinen Gründen führt er aus, die Vorinstanzen haben sich an der Rechtsprechung des OGH orientiert und den Anspruch auf Löschung der Domain amada.at nach § 52 Markenschutzgesetz (MSchG) bestätigt. Doch sieht der OGH die Rechtslage mittlerweile differenzierter. Er verweist auf Lehre und Literatur, die die Rechtsansicht des OGH kritisch beurteilen und der Ansicht sind, ein Löschungsanspruch ergebe sich nicht zwingend aus § 52 MSchG; es komme letztlich auf den Inhalt unter der Domain an. Denn die Rechtsverletzung könne durch Änderung des Inhalts beseitigt sein; § 52 Abs. 1 MSchG verlangt lediglich die Beseitigung der Beeinträchtigung. Mit deren Beseitigung sei die Nutzung der Domain mit legalen Inhalten erlaubt.

Das Problem verlagert sich damit ganz auf die Frage der Wiederholungsgefahr, die von den Vorinstanzen und der bisherigen Rechtsprechung des OGH in solchen Fällen grundsätzlich angenommen wird/wurde: Kennzeichenrechtsverletzende Inhalte könnten jederzeit unter der Domain wieder eingestellt werden. Doch nun meint der OGH, die Einwände von Lehre und Literatur treffen im Kern zu. Da die Beklagten die strittigen Inhalte bereits bei Schluss der Verhandlung von der Website entfernt hatte, lag kein rechtswidriger Zustand mehr vor. Er führt weiter aus: „Selbst wenn die strittigen Inhalte bei Schluss der Verhandlung noch vorhanden gewesen wären, hätte sich die Rechtswidrigkeit des Zustands nur aus der dadurch begründeten Verwechslungsgefahr ergeben. Nur die Beseitigung dieses Zustands hätte die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen verlangen können.“ Dabei verweist der OGH auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes im Streit um die Domain vossius.de. Der BGH meinte in seiner Entscheidung, ein Löschungsanspruch könne nur bestehen, wenn schon das Halten des Domain-Namens für sich gesehen Rechte des Klägers verletzt. Zur Wiederholungsgefahr führte der OGH aus: „Denn auch wenn der Inhaber die Domain in einer Weise genutzt hat, die in Markenrechte eines Dritten eingriff, begründet ihre Existenz als solche noch nicht die typische Gefahr, dass er dieses Verhalten wiederholt. Vielmehr bestehen [?] von vornherein unzählige Möglichkeiten einer rechtmäßigen Nutzung. Dieser Unterschied schließt es im Regelfall aus, § 52 Abs. 2 des MSchG auf die Löschung einer Domain anzuwenden.“

In Abkehr zur eigenen Rechtsprechung geht der OGH nun also davon aus, dass, soweit die Nutzung einer Domain nach materiellem Recht nicht gänzlich untersagt werden könne, in der Regel auch kein Anspruch auf Einwilligung in deren Löschung bestehe. Diese Sicht der Dinge bringt das Domain-Recht nicht nur in Österreich einen guten Schritt voran – in die richtige Richtung.

Diese Rechtsprechung hat im deutschen Rechtsgebiet schon beinahe eine Tradition. So sah auch das OLG Köln (Urteil vom 01.06.2007, Az.: 6 U 35/07) im Fall aidu.de keine Veranlassung, dem Löschungsbegehren der Klägerin stattzugeben, da unter den der Marke AIDA jeweils nicht identischen Domain-Namen auch andere Inhalte zu finden sein könnten und so eben keine Rechtsverletzung vorläge. Auch der BGH hatte sich der Frage nochmals gewidmet: im Streit um die Domain euro-telekom.de (Urteil vom 19.07.2007, AZ.: I ZR 137/04), in der er bekräftigte, dass soweit nicht schon das Halten des Domain-Namens durch den Inhaber per se eine Rechtsverletzung darstellt, kein Löschungsanspruch besteht.

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