kinder.at

Urteil des Handelsgericht Wien vom 10.12.01 (Az. 38 Cg 90/00t)

Ein Jahr lang hat der Rechtsstreit zwischen Fererro Österreich und der MediaClan GmbH gedauert. Jetzt liegt das erstinstanzliche Urteil vor. Das Handelsgericht Wien hat mit Urteil vom 10.12.2001 die Klage der Ferrero Österreich auf Unterlassungs der Nutzung der Domain kinder.at durch die MediaClan GmbH zurückgewiesen.

Wir erinnern uns: Die MediaClan GmbH ist seit 1999 Inhaberin der in Streit stehenden Domain. Ferrero Österreich sieht darin eine Markenrechtsverletzung und wettbewerbswidriges Verhalten. Der Fererro Konzern mit Sitz in Italien und Deutschland hat mehrere Wortbildmarken „kinder“ angemeldet. Die Priorität der Markenanmeldungen datiert auf den 18.02.1994.

Fererro Österreich sah Identität zwischen den Zeichen „Kinder“ als Wortbildmarke und dem Domain-Namen. Das Unternehmen meinte, die Marken seien berühmt und genießen deshalb erweiterten Schutz. Zugleich meinte Fererro Österreich, sie sei Inhaberin von Rechten an dem geschützten Begriff, da sie die Wortbildmarke „Kinder“ vom Mutterkonzern lizensiert habe. Das Unternehmen beantragte eine einstweilige Verfügung ­ erfolglos:

Die Ansicht, die Markenrechte lizensiert zu haben, wurde Fererro Österreich im einstweiligen Verfügungsverfahren zum Verhängnis. Die einstweilige Verfügung wurde abgewiesen, da die Antragstellerin keinen Nachweis für die Lizensierung vorlegen konnte. Damit war sie formell gar nicht berechtigt, das Verfahren zu führen.

Nach dem wenig erfolgreichen Eilverfahren ging man ins Hauptsacheverfahren. Aber auch hier hatte Ferrero Österreich zunächst Schwierigkeiten, die formelle Hürde zu nehmen. Der Prozeßvertreter von Ferrero legte dem Gericht beglaubigte Erklärungen vor, denen nach Ferrero Österreich Inhaberin der notwendigen Lizenz sei. Das akzeptierte das Gericht jedoch nicht als Beweis. Damit konnte Ferrero nach wie vor nicht nachweisen, dass die österreichische Tochter die Marke „Kinder“ lizensiert hat.

Im Laufe des Verfahren konnte Ferrero dann doch den Nachweis erbringen. Das Gericht schritt zur Urteilsfindung und kam zu folgendem Ergebnis:

Es sei offensichtlich, dass das dem deutschen Sprachschatz entnommene Wort „kinder“ nicht gleich der Wortbildmarke „kinder“ ist. Denn bei der Domain handelt es sich nicht um die nur unter ihrer besonderen grapfischen Aufmachung bekannte Wortbildmarke der Klägerin, sondern um einen Begriff aus der Alltagssprache. Unter diesem verstehe der deutschsprachige Adressat noch nicht erwachsene, sehr junge Menschen (bis zur Pubertät); juristisch gebildetete Adressaten rechnen zu Kindern überhaupt nur Personen unter sieben Jahren. Da außerdem auf der klagegegenständlichen Website keine gleichen Produkte angeboten, beworben oder auch nur benannt werden, sie vielmehr in überhaupt keinen Zusammenhang mit Süßwaren zu bringen ist, sei keine der Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 1 MSchG gegeben.

Nach dieser Zusammenfassung geht das Gericht auf die verschiedenen Tatbestände ein.

Zur Verwechslungsgefahr: Die Marke „kinder“ bezieht Ihre Unterscheidungskraft fast ausschließlich aus ihrer Gestaltung als Wortbildmarke: der Schriftzug mit dem schwarzen „k“ und dem roten „inder“ mag durchaus bei einem überwältigenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Assoziation mit den Marken und Produkten der Klägerin erwecken, beim reinen Wort „kinder“ ist dies sicher nicht der Fall; es handelt sich um ein Wort der Alltagssprache, eine beschreibende Bezeichnung für Minderjährige.

Auch der hohe Bekanntheitsgrad der Marke ändert daran nichts. So dass das Gericht resümiert: „Die Unterscheidungskraft der Marke kinder ist also ohne ihre Darstellung als Wortbildmarke gering. In diesem Sinne muß auch die Zeichenähnlichkeit als gering eingestuft werden: […]“

Das Gericht sieht auch keinen Fall der Rufausbeutung. Die Produkte der Parteien könnten auch auf den ersten Blick nicht verwechselt werden.

Die Wertschätzung der Marke der Klägerin wird ebenfalls nicht beeinträchtigt, da Erwartungen bezüglich des Inhalts der Webseite der Beklagten nur enttäuscht würden, wenn dahinter die Klägerin stünde. Das aber wird gerade nicht erwartet wenn man auf die Website kinder.at gehe.

Eine Verwässerung der Marken der Klägerin sei nicht zu befürchten, da die Marke ohne grafische Darstellung nur geringe Unterscheidungskraft habe. Ohne die Darstellung hat die Marke keine überragende Kennzeichnungs- und Werbekraft. Ihre Unterscheidungskraft wird mithin durch die Nutzung der Domain nicht beeinträchtigt.

Schließlich ist auch eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft der klägerischen Marken nicht zu besorgen. Das kennzeichnungskräftige Merkmal der klägerischen Marken schlechthin, ihre grafische Gestaltung, kann schon aus technischen Gründen nicht für eine Domain ausgebeutet werden.

Es liegt nach Ansicht des Gerichts auch keine sittenwidrige Rufausbeutung nach § 1 UWG vor, da es dem Beklagten durch die Wahl seiner Domain gar nicht möglich sei, den Ruf und das Ansehen der Marke „kinder“ auf seine Dienstleistung zu übertragen. Der Ruf der Marke hänge nunmal an der grafischen Darstellung.

Zuletzt wurde auch ein sittenwidriger Behinderungswettbewerb durch Domain-Grabbing verneint. Die Beklagte habe die Domain registriert, um eine Non-Profit-Community für Kinder einzurichten. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie die Domain lediglich registriert habe, um sie gegen eine Lösegeld an die Klägerin zu verkaufen. Dass die Angaben zu dem Domain-Projekt der Beklagten falsch seien, habe selbst die Klägerin nicht behauptet.

Damit wurde die Klage also abgewiesen. Die Klägerin hat nun die Möglichkeit, in die nächste Instanz zu gehen. Das Verfahren würde sich sicherlich wieder ein Jahr hinziehen. Und die Klage würde gewieß wieder abgewiesen werden.

Der Rechtsstreit zeigt ­ meines Erachtens wegweisend ­, dass man nicht ohne weiteres auf die Priorität einer Wortbildmarken setzen kann, wenn es um Domains geht. Wäre die geschützte Wortbildmarke auch als reine Wortmarke schützbar, so müßte sich auch eine Wortbildmarke gegenüber einer später registrierten Domain durchsetzen können. Das kann aber nicht sinnvoll sein bei Wortbildmarken, die als reine Wortmarken nicht registrierungsfähig wären ­ wie „kinder“. Denn dann kommt es zur Unterscheidung alleine auf die grafische Darstellung an, die aber bei den derzeitigen technischen Gegebenheiten im Internet bei den Domain-Namen nicht zum Zuge kommt.

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