kinder.at die III.

Entscheidung des OGH

Schade. Jetzt ist endgültig Schluss mit der Berichterstattung über den wunderbaren Prozeß um die Domain kinder.at. Der Oberste Gerichtshof Österreichs hat eine abschließende Entscheidung gefällt und die außerordentliche Revision des Ferrero-Konzerns abgewiesen. Jetzt geht nichts mehr, wenn die Beklagte MediaClan GmbH die Web-Seite wie angekündigt als Portal für Kinderangebote nutzt und keinen Schokoladenladen aufmacht.

Hintergrund
Die MediaClan GmbH ist seit 1999 Inhaberin der in Streit stehenden Domain kinder.at. Ferrero Österreich sieht darin eine Markenrechtsverletzung und wettbewerbswidriges Verhalten. Der Ferrero Konzern mit Sitz in Italien und Deutschland hat mehrere Wortbildmarken „kinder“ angemeldet. Die Priorität der Markenanmeldungen datiert auf den 18.02.1994.

Ferrero Österreich sah Identität zwischen den Zeichen „Kinder“ als Wortbildmarke und dem Domain-Namen. Das Unternehmen meinte, die Marken seien berühmt und genießen deshalb erweiterten Schutz. Zugleich meinte Ferrero Österreich, sie sei Inhaberin von Rechten an dem geschützten Begriff, da sie die Wortbildmarke „Kinder“ vom Mutterkonzern lizensiert habe. Das Unternehmen beantragte eine einstweilige Verfügung – erfolglos:

Die Ansicht, die Markenrechte lizensiert zu haben, wurde Ferrero Österreich im einstweiligen Verfügungsverfahren zum Verhängnis. Die einstweilige Verfügung wurde abgewiesen, da die Antragstellerin keinen Nachweis für die Lizensierung vorlegen konnte. Damit war sie formell gar nicht berechtigt, das Verfahren zu führen.

Nach dem wenig erfolgreichen Eilverfahren ging man ins Hauptsacheverfahren. Aber auch hier hatte Ferrero Österreich zunächst Schwierigkeiten, die formelle Hürde zu nehmen. Der Prozeßvertreter von Ferrero legte dem Gericht beglaubigte Erklärungen vor, denen nach Ferrero Österreich Inhaberin der notwendigen Lizenz sei. Das akzeptierte das Gericht jedoch nicht als Beweis. Damit konnte Ferrero nach wie vor nicht nachweisen, dass die österreichische Tochter die Marke „Kinder“ lizensiert hat.

Nachdem im Laufe des Verfahren Ferrero dann doch den Nachweis erbringen konnte, wurde deren Klage abgewiesen, weil es offensichtlich sei, dass das dem deutschen Sprachschatz entnommene Wort „kinder“ nicht gleich der Wortbildmarke „kinder“ ist.

Ferrero
In einem letzten Aufbäumen versuchte Ferrero, die Gerichte umzustimmen. Mit Schriftsatz vom 20.06.2002 legte Ferrero außerordentlich Revision gegen das Urteil vom 10.12.2001 (Az. 38 Cg 90/00t) des Handelsgericht Wien, nachdem dieser die Klage Ferreros abgewiesen hatte. Die Revision wurde wortreich (auf 14 Seiten) und geschickt begründet:

Eine außerordentliche Revision sei – aus der Sicht der Klägerin Ferrero – geboten, weil die Untergerichte in Abweichung von gängiger Rechtsprechung und im Widerspruch zur Judikatur des EUGH die Klage abgewiesen hätten. Entsprechend zählte die Klägerin in ihrer Revisionsschrift zahlreiche ähnlichgelagerte Fälle auf, die zu Gunsten von Markeninhabern entschieden wurden.

Im einzelnen begründete die Klägerin die Revision damit, dass die Untergerichte fälschlich davon ausgehen, die Marke Kinder verdanke ihre Unterscheidungskraft fast ausschließlich der Gestaltugn als Wort-/Bild-Marke. Dabei übersehen sie, so die Klägerin, dass laut ständiger Rechtsprechung die Zeichenähnlichkeit nach drei Kriterien zu beurteilen ist, nämlich nach den Kriterien des Wortbildes, des Wortklanges und des Wortsinnes, wobei bereits eine Verwechslungsgefahr nach nur einem dieser drei Kriterien die Zeichen als verwechselbar ähnlich qualifiziert. Die Untergerichte meinten, da Kinder ein Wort der Alltagssprache ist, könne es einerseits ausschließlich nach dem Kriterium des Wortbildes geprüft werden, und andererseits schlössen schon geringe Unterschiede in der grafischen Ausgestaltung jede Verwechslungsgefahr aus. Aber diese Einschätzung und Orientierung an lediglich einem Kriterium
widerspräche eben genau den Voraussetzungen im Markenrecht.

Die Klägerin bezog sich auch auf ihr Eigentumsrecht, das verletzt werde, wenn die Domain kinder.at von einem Unberechtigten registriert sei. Sie könne dann den Genuss am eigenen Eigentum, der Marke KINDER nicht auskosten, da einem Dritten das Recht eingeräumt werde, die Domain zu nutzen, was eigentlich alleine der Klägerin zustehe.

Der OGH
Von diesen Argumenten liess sich der OGH nicht überzeugen. In seinem Beschluss vom 16.07.2002 erklärte der OGH, keine Verwechslungsgefahr erkennen zu können. Kinder sei eine bekannte Marke, habe aber keinen erweiterten Schutz. Der Schutzumfang bestimme sich nach der Wechselwirkung von Prägnanz des Kennzeichens, Ähnlichkeit des Kollisionszeichens (hier kinder.at) und Grad der Branchennähe und hänge damit stets von den Umständen des Einzelfalles ab. Und der vorliegende Einzelfall sei vom Berufsungsgericht korrekt beurteilt worden:

„Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffene Wort-Bild-Marke besitze – wenn überhaupt – nur eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft, weil sie ihre Unterscheidungskraft nahezu ausschließlich aus ihrer optischen Gestaltung beziehe, sie sei aber jedenfalls nicht gegen die Verwendung als Domain des darin allein enthaltenen Wortes „Kinder“ als einem Wort der Alltagssprache zur Ankündigung eines Internet-Portals mit allgemeinen Inhalten zum Thema Kinder geschützt, hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtssprechung und wendet sie zutreffend auf den Einzelfall an.“

Dabei bezieht sich der OGH kurioserweise auf Reaktionen der juristischen Fachliteratur auf das erstinstanzliche Urteil, die die Rechtslage des Streites um die Domain kinder.at kommentierte. Es wurde auf eine Anmerkung zum erstinstanzlichen Urteil von Karl (in MarkenR 2002, 215) verwiesen.

Die Beurteilung der ersten Entscheidung des Handelsgericht Wien finden Sie hier.

Unter kinder.at können Sie sämtliche Schriftsätze als .pdf-Dateien herunterladen.

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