Dem Domain-Inhaber stellt sich immer wieder die Frage, ob er den für seinen Webauftritt gewählten Namen nicht gleichzeitig als Marke anmelden soll. Soweit eine Markenanmeldung für den Begriff und seine Nutzung möglich ist, empfiehlt sich dies, denn es sorgt für Rechtssicherheit. Nicht immer ist eine solche Anmeldung nötig, da bei einer geschäftlichen Betätigung, deren Beginn mit der Registrierung der Domain einhergeht, ein Schutz der Geschäftsbezeichnung nach §§ 5, 15 MarkenG entstehen kann. Das gilt auch bei entsprechend entstehenden Werktiteln.
In Fällen, wo weder die Anmeldung einer Marke möglich ist oder deren Anmeldung versäumt wurde, stellt sich eine der heikelsten Fragen bei Domain-Rechtsstreiten: die nach dem Verhältnis zwischen einer Domain und einem später geschützten Kennzeichen (etwa einer Marke oder eines Werktitels).
Die Rechtsprechung hat bisher in solchen Fällen keine einheitliche Linie entwickelt. Die jeweiligen Entscheidungen fallen nach den Umständen des Einzelfalles aus; und das darf man zum Teil getrost wörtlich nehmen: Die Entscheidung zur Domain literaturen.de nimmt sich da wie ein Aus-Fall aus.
Im Fall literaturen.de wurde die vom Domain-Inhaber ungenutzte Domain der klagenden Zeitschrift Literaturen zugesprochen, nach dem das Gericht dem Domain-Inhaber sittenwidriges Handeln unterstellte, das eigentlich von der klagenden Partei hätte bewiesen werden müssen. Die Entscheidung hatte Folgen, denn für einige Gerichte schien nun ausgemacht, dass, wer Domains nur registriert, um sie gewinnbringend zu veräußern oder einfach nicht nutzt, sittenwidrig handelt.
Ähnlich gelagert war der Sachverhalt, über den das LG Düsseldorf am 07.02.2003 (Az.: 38 O 144/02) zu entscheiden hatte: Im Streit standen die Domains bigben.de und big-ben.de. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; erst am 27.03.2003 wurde es den Parteien zugestellt, so dass die Berufungsfrist noch einige Tage ab Veröffentlichung dieses Artikels läuft und Berufung noch eingelegt werden kann.
Die Klägerin, eine am 01.04.2002 gegründete Tochter der Bigben lnteractive S.A. in Frankreich, vertreibt Computerspiele und Zubehör. Am 23.02.2000 wurde für die Klägerin die Wortmarke ›BIG BEN‹ in den entsprechenden Klassen, insbesondere der Leitklasse 9, elektrische Unterhaltungsgeräte etc., patentamtlich eingetragen. In ihrem Klageantrag begehrt die Klägerin die Unterlassung der Nutzung und die Freigabe der Domains.
Die Beklagte, die sich u.a. mit dem sogenannten E-Commerce und Kommunikationsdienstleistungen im Internet beschäftigt, registrierte am 21.04.1998 die Domains ›bigben.de‹ und ›big-ben.de‹. Die Domain bigben.de verpachtete sie in der Zeit von 1998 bis etwa Mitte 2000 an einen Dritten, der dort als Privatmann Veröffentlichungen vornahm. Mittlerweile betreibt die Beklagte unter bigben.de und big-ben.de ein Portal, in dem zum einen über das Wahrzeichen Londons, Reisen, Flüge und Bücher informiert werden soll. Zum anderen sind über sogenannte Links Firmen aufgezählt, die die Bezeichnung Big Ben führen.
Das LG Düsseldorf wies die Klage zurück. Es konnte weder Ansprüche aus dem Markenrecht noch aus dem Recht des unlauteren Wettbewerbs (UWG) noch auch gemäß den §§ 823, 1004 BGB seitens der Klägerin erkennen. Vielmehr erklärte es mit seinem Urteil der Pflicht zur Nutzung einer Domain eine klare Absage.
Im übrigen erklärte das Gericht zu Recht, der Begriff BigBen sei weltberühmt und außerhalb jeglichen geschäftlichen Verkehrs so gebräuchlich, dass vernünftigerweise jeder Nutzer des lnternets zunächst davon ausgehen muss, Informationen im Zusammenhang mit diesem Wahrzeichen vorzufinden.
Die Entscheidung steht im Gegensatz zu Entscheidungen wie literaturen.de und warez.de, womit sie mehr oder weniger einen neuen Blick auf die Frage nach der Priorität von Domains und – bezogen auf big-ben.de – die Art ihrer Verwendung wirft. Für die Domain big-ben.de lässt sich jedenfalls sagen, dass eine Nutzung der Domain bisher nicht stattfand; sie war ursprünglich lediglich mit dem Hinweis versehen: „Hier entsteht eine neue Internetpräsenz“.
Ansprüche aus dem Markenrecht liegen nicht vor, da
„die Beklagte […] zu keiner Zeit ein mit der für die Klägerin geschützten Marke ähnliches oder identisches Zeichen in einer Verwechslungsgefahr begründenden Weise benutzt [hat].“Denn es gab und gibt kein bestimmtes oder bestimmbares Produkt mit der Bezeichnung Bigben, das unter bigben.de angeboten wurde. Außerdem erfolgte die Registrierung der Domains zu einem Zeitpunkt,
„als es die Klägerin noch gar nicht gab, so dass, von einer markenrechtlichen Priorität nicht gesprochen werden kann.“Damit lag auch im Hinblick auf die Geschäftsbezeichnung der Klägerin keine Rechtsverletzung im Zeitpunkt der Domain-Registrierung vor. Das Gericht manifestiert solchermaßen, es komme, unabhängig davon, ob Inhalte auf der Website vorhanden sind oder nicht, auf die Priorität der Domain-Registrierung im Vergleich zur Registrierung der Marke und dem Entstehen der Geschäftsbezeichnung an und eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtsverletzung. Das steht im Gegensatz zu dem, was aus anderen gleichgearteten Entscheidungen zum Thema Priorität hervorgeht. Denn dort kam es zuletzt auf die Frage an, ob eine Priorität der Domains aufgrund ihrer Nutzung besteht. Bei Entscheidungen wie warez.de und fnet.de war die jeweilige Domain aufgrund ihrer geschäftlichen Nutzung gegen die prioritätsjüngeren Kennzeichen der jeweils Klagenden geschützt.
Das LG Düsseldorf unterstreicht seine Argumentation mit den Worten
„Wenn die Beklagte jedenfalls zeitweise registrierte Domains nicht nutzte, kann dies die geschäftliche Betätigung der Beklagten nicht mehr einschränken, als dies bei jeder anderen Art der Nutzung von Anfang an der Fall war.“Wobei davon auszugehen ist, dass sich in diesen Satz des Gerichts ein Fehler eingeschlichen hat. Richtig wird es wohl heißen:
Wenn die Beklagte jedenfalls zeitweise registrierte Domains nicht nutzte, kann dies die geschäftliche Betätigung der Klägerin nicht mehr einschränken, als dies bei jeder anderen Art der Nutzung von Anfang an der Fall war.Anders ergibt die Sentenz keinen Sinn – und Fehler lassen sich, auch bei der Abfassung von Urteilen, nicht immer vermeiden.
Es kommt demnach nicht darauf an, ob die Domain genutzt oder nicht genutzt wird. Von Bedeutung bleibt selbstverständlich die Art die Nutzung, insoweit durch sie die Rechte Dritter verletzt wird, was das Gericht ebenfalls deutlich macht:
„Soweit diese Voraussetzungen [gemeint sind die des § 14 Abs. 2 MarkenG] nicht erfüllt sind, ergibt sich zwangsläufig, dass jede andere Benutzung zulässig ist, soweit nicht andere Rechtsvorschriften entgegenstehen.“Wird die Domain aber überhaupt nicht genutzt (und werden keine prioritätsälteren Rechte Dritter verletzt), so besteht kein Unterlassungs- oder Freigabeanspruch.
Die Entscheidung ist ein klares Signal für den Domain-Handel und Domain-Inhaber, die aufgrund mangelnder zeitlicher Reserven nicht alle ihrer zahlreichen Internetprojekte in Angriff nehmen können. Ob diese Rechtsprechung sich durchsetzen wird, ist eine andere Frage.