Kartellvorwurf

Interessengruppen wenden sich gegen .com-Vertrag zwischen ICANN und VeriSign

Bilden die Internet-Verwaltung ICANN und VeriSign Inc. ein De-Facto-Kartell, das zu übermäßigen Gewinnen führt? Das behauptet ein Konsortium aus drei Interessenverbänden und hat die US-Regierung aufgefordert, die Verlängerung des »Cooperative Agreement« mit dem US-Handelsministerium zu verhindern.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2024 wandten sich die American Economic Liberties Project, der Demand Progress Education Fund und das Revolving Door Project sowohl an das US-Justizministerium als auch an die National Telecommunications and Information Administration (NTIA) und forderten sie dazu auf, das von der Regierung festgelegte Monopol zwischen ICANN und VeriSign aus dem »Cooperative Agreement« zu beenden. Seit den 1990er Jahren habe die NTIA es ICANN und VeriSign erlaubt, die Preise für .com-Domains zu erhöhen und ein Monopol zu missbrauchen, indem notwendige Preisobergrenzen abgeschafft und automatische Vertragsverlängerungen ohne Ausschreibung eingeführt wurden. Aufgrund der Monopolstellung habe VeriSign die Gebühren für .com-Domains, den Gold-Standard für kommerzielle Webseiten, von US$ 6,– während der Regierung von George W. Bush auf heute US$ 10,26 angehoben – eine Steigerung von über 70 Prozent. Das erlaube VeriSign, übermäßige Gewinne zu erzielen, ohne ein besseres Produkt oder einen besseren Service anzubieten. Frühere Regierungen hätten eine Preisobergrenze festgelegt; unter Präsident Donald Trump habe die NTIA jedoch jede Obergrenze für den maximal zulässigen Preis aufgehoben und es VeriSign erlaubt, die Gebühren potenziell in vier von sechs Jahren um sieben Prozent pro Jahr zu erhöhen, ohne dass Bedingungen daran geknüpft wären. Die Finanzzahlen von VeriSign und die Bedeutung von .com-Domains würden darauf hindeuten, dass das Unternehmen tatsächlich ein Monopol innehabe und über erhebliche Marktmacht verfüge. So habe VeriSign eine »gross profit margin« und eine »operating margin« von fast 90 bzw. 70 Prozent. Das Unternehmen kaufe Aktien zurück und habe Ende April 2024 über einen erheblichen freien Cashflow von US$ 925 Mio. verfügt.

Um dieses »incestuous legal triangle« zu beenden, solle die NTIA VeriSign bis zum 02. August 2024 eine schriftliche Mitteilung über die Nichtverlängerung des »Cooperative Agreement« zukommen lassen, um den Vertrag vollständig zu beenden und den Prozess für ein offenes Bieterverfahren auf dem freien Markt einzuleiten. In der Vergangenheit habe sich so der Großhandelspreis für die Registrierung von Domains deutlich verringert. Als .net das letzte Mal Gegenstand eines Bieterverfahrens gewesen sei, seien die Gebühren um fast die Hälfte von US$ 6,– auf US$ 3,50 heruntergeboten worden, während .com bei US$ 6,27 verblieben sei; dies lasse darauf schließen, dass ein offenes Bieterverfahren heute ähnliche Vorteile bringen würde. Zudem solle die NTIA eine sinnvolle Preisobergrenze für den Gewinner der Ausschreibung einführen. ICANN hingegen habe ein begründetes Interesse daran, dass VeriSign so viel Geld wie möglich verdiene, da VeriSign ICANN für jede Registrierung bezahle. Auch wenn viele dieser Argumente bereits bekannt sind, ist jedenfalls der letzte Punkt diskutabel: ICANNs Interesse hängt nicht davon ab, wie teuer eine .com-Domain ist, sondern davon, dass möglichst viele .com-Domains registriert, verlängert und transferiert werden. Sinken die Registrierungszahlen unter .com, sinken auch die Einnahmen von ICANN; eben dies ist seit einigen Monaten zu beobachten und hat bei ICANN unter anderem dazu geführt, dass mehr als 30 Mitarbeiter entlassen wurden.

VeriSign hat die Vorwürfe in einer ersten Stellungnahme scharf zurückgewiesen. Das Schreiben beruhe auf einem grundlegenden Missverständnis und ignoriere den klaren Wortlaut des »Cooperative Agreement«, das Wesen von Kooperationsvereinbarungen, den Verlauf der Verhandlungen zwischen dem Ministerium, VeriSign und ICANN, die Rolle ICANNs als zentraler Koordinator des DNS, die langjährige US-Politik sowie die ausdrücklichen Bestimmungen im »Registry Agreement« zwischen ICANN und VeriSign. Sollte sich das Ministerium dafür entscheiden, das »Cooperative Agreement« zu kündigen, werde .com weiterhin gemäß den Bedingungen des Registry Agreements zwischen ICANN und Verisign verwaltet, um die kontinuierliche Sicherheit, Stabilität und Widerstandsfähigkeit dieser wichtigen Internet-Infrastruktur zu gewährleisten.

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