BVerfG

Vorratsdatenspeicherungsnormen nichtig

Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat vergangenen Dienstag seine Entscheidung zur Verfassungsbeschwerde hinsichtlich des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung verkündet und darin die Normen der §§ 113a und 113b TKG sowie § 100g StPO für verfassungswidrig und nichtig erklärt (BVerfG, Urteil vom 02.03.2010, Az.: 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08 und 1 BvR 586 /08). Damit ist die Vorratsdatenspeicherung zunächst passé, doch schließt das BVerfG nicht aus, dass durch eine angemessene Regelung zur Vorratsdatenspeicherung diese rechtens sei.

Im Dezember 2007 war das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung verabschiedet worden und danach in Kraft getreten. Aufgrund dieses Gesetzes waren Telekommunikationsanbieter verpflichtet, Telekommunikationsdaten ihrer Kunden zu speichern und sechs Monate gespeichert zu halten. Hiergegen richteten sich mehrere Klagen zum BVerfG, darunter eine mit knapp 35.000 Klägern. Das BVerfG hatte zunächst eine Eilentscheidung getroffen und darin festgehalten, dass Daten gespeichert, jedoch nur bei schweren Straftaten auf Anfrage der Ermittlungsbehörden diesen übermittelt werden müssten. Nun erging die abschließende Entscheidung, in der die Normen vom Gericht für nichtig erklärt werden, die aber auch den Eindruck einer Anleitung für den Gesetzgeber macht.

Das Gericht sieht mit der aktuellen Regelung der Vorratsdatenspeicherung das Grundrecht auf das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) verletzt, da es an einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgestaltung fehle. So gewährleisteten die fraglichen Normen keine hinreichende Datensicherheit, noch eine ausreichende Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten; außerdem genügten sie nicht in jeder Hinsicht den verfassungsrechtlichen Transparenz- und Rechtsschutzanforderungen. Nachdem dies geklärt ist, zeigt das Gericht detailliert auf, was der Gesetzgeber zu berücksichtigen hat, will er eine entsprechende Norm zur Vorratsdatenspeicherung verfassungskonform gestalten: Es bedürfe hinreichend anspruchsvoller und normenklarer Regelungen zur Datensicherheit, zur Begrenzung der Datenverwendung, zur Transparenz und zum Rechtsschutz.

Im einzelnen geht das BVerfG davon aus, dass eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten verfassungsgemäß sein kann, soweit die Verhältnismäßigkeitsgrundsätze eingehalten würden. Im Hinblick auf die Datensicherheit sei bereits der Umstand positiv, dass die Daten von privaten Diensteanbietern gespeichert und nicht zusammengeführt würden, und sie so vom direkten Zugriff der Behörden geschützt seien; allerdings müsse der Gesetzgeber, um Datensicherheit zu gewährleisten, klarere Normen schaffen und könne die Kontrolle einer Aufsichtsbehörde übertragen. Im Hinblick auf Strafverfolgung und Gefahrenabwehr werden hohe Anforderungen an die vorliegenden Tatsachen, die einen Verdacht begründen, und die Schwere der Tat gestellt, die genau geregelt sein müssten. Und so geht es weiter für die Transparenz, den Rechtsschutz und die Identifizierung von bereits bekannten IP-Adressen. Zu Frage der Belastung der Diensteanbieter hinsichtlich der Kosten für die Speicherung der Daten sieht das BVerfG keinen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. GG): den Diensteanbietern stehe es frei, die Kosten auf den Kunden abzuwälzen.

Die Verfassungsbeschwerde war also erfolgreich: die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung sind nichtig. Doch was folgt aus dem Urteil? Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat – einmal mehr – aufgezeigt, dass der Gesetzgeber schlampig arbeitet, wie er in den letzten Jahren – parteienunabhängig – immer wieder schlampig arbeitet bei Gesetzen, die die Bürgerund Grundrechte einschränken. Nun, da er weiss, wie er die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung ausgestalten muss, wird er sie auch schnellstmöglich und weniger schlampig vorlegen. Die verfassungsgemäße Vorratsdatenspeicherung kommt, soviel ist gewiss.

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