Vor »Alleingängen in der Netzpolitik« hat Prof. Wolfgang Kleinwächter, Experte für Internet-Governance, gewarnt. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung wies er jedoch zugleich darauf hin: Fehlt eine adäquate politische Strategie, wächst das Risiko für Sicherheit, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit.
»Durch den digitalen Fortschritt wird sich vieles ändern« – so arg viel mehr als eine Andeutung im Schlusswort von Bundeskanzlerin Angelika Merkel war das Thema Digitalisierung im TV-Duell mit Herausforderer Martin Schulz nicht wert. Für Kleinwächter, Professor für Internationale Kommunikationspolitik und Regulierung am Department for Media and Information Sciences der Universität Aarhus, ist das ein Unding. In einem Gastbeitrag machte Kleinwächter eindringlich geltend, dass das Internet mittlerweile alle Lebensbereiche derart durchdrungen hat, dass die Politik nicht mehr ohne auskommt. In der Politik sei dies aber noch nicht angekommen; so streite man lieber um Begrifflichkeiten:
Wenn von „Cyber“ die Rede ist, fühlen sich Außen-, Verteidigungs- und Innenminister angesprochen. Beim Stichwort „digital“ werden das Wirtschafts-, Arbeits- und Verkehrsministerium hellhörig. Die Geschäftswelt redet von E-Commerce, die technische Community und die Zivilgesellschaft von „Internet Governance“. Dabei sind alle vier Begriffe in gewisser Weise Synonyme. Es gibt nur ein Internet.
so Kleinwächter. Daher müssten alle an einen Tisch.
Weltfremd ist für Kleinwächter daher die Idee eines »Internetministers«. Da das Internet alle Lebensbereiche betrifft, müsste ein Internetministerium in alle anderen Ministerien hineinregieren. Er empfiehlt stattdessen, einen Internet-Koordinator im Bundeskanzleramt anzusiedeln, ähnlich, wie es China im Jahr 2013 mit der »Cyber Administration of China« (CAC) getan hat. Doch auch das ist nicht genug, weil das Internet keine Grenzen kennt. Die mit dem Netz verbundenen politischen Fragen sind zu komplex, um von nationalen Regierungen allein gelöst zu werden. Kleinwächter greift daher das Multistakeholder-Modell auf, das ICANN prägt und nach seiner Einschätzung funktioniert. Damit sei die Teilhabe aller Gruppen sichergestellt, deren Interessen betroffen sind, wie etwa Staaten, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Technik. In Deutschland könne etwa ein vom Bundestag legitimierter, von der Regierung unabhängiger »Nationalen Rat für Cyber- und Digitalpolitik« das Stakeholder-Modell umsetzen.
Vorsichtigen Anlass zur Hoffnung gibt Kleinwächter, dass sich die Bundesregierung um die Ausrichtung des Internet Governance Forum der Vereinten Nationen im Jahr 2019 in Berlin beworben hat. So lange muss man aber gar nicht warten: bereits Ende Oktober 2017 trifft sich die Netzgemeinde in Abu Dhabi zum letzten von drei jährlichen ICANN-Meetings – das Thema Digialisierung steht dort sicherlich ganz oben auf der Agenda.