Netzverwaltung

China ruft anlässlich der »Wuzhen Summit« ICANN-Konkurrent aus

Die Volksrepublik China hat einen potentiellen ICANN-Konkurrenten ausgerufen: die »World Internet Conference« (WIC) soll als Organisation etabliert werden, um Standards im Internet zu setzen. Zu konkreten Details schwieg man sich aber vorerst aus.

Seit 2014 findet einmal jährlich die »Welt-Internet-Konferenz« statt, auch bekannt als »Wuzhen Summit«. Organisiert wird sie von der Cyberspace Administration of China (CAC), dem zentralen Internet-Regulator der Volksrepublik, mit dem Ziel ein Internetregime mit »chinesischen Charakteristiken« zu errichten. 2015 wurde ein „High Level Advisory Committee“ (HAC) gebildet, dem 30 hochrangige Experten, darunter 15 aus dem Ausland, angehören. Als Co-Vorsitzende des HAC wurden Jack Ma (Alibaba) und der vormalige ICANN-CEO Fadi Chehadé nominiert. Die Veranstaltung ist jedoch umstritten; Amnesty International sprach schon 2015 von einem „Frontalangriff auf die Freiheiten des Internets“, Reporter ohne Grenzen rief zum Boykott der Tagung auf. Doch was bisher lediglich eine Konferenz war, soll künftig als eine Organisation dienen, um Standards im Internet zu setzen. Chinas Staatspräsident Xi Jinping gratulierte anlässlich einer Rede am 12. Juli 2022 zur Gründung der internationalen Organisation und sprach von einem wichtigen Schritt, um internationalen Austausch und Kooperation im Cyberspace zu vertiefen. »Cyberspace should be jointly built by all countries of the world« wird Xi Jinping in einer offiziellen Pressemitteilung auf der Konferenz-Website zitiert.

»China stands ready to work with the international community to build a cyberspace that is fairer and more equitable, more open and inclusive, safer and more stable, and more vibrant, and to allow the internet to enrich the people even more.«

Zu den Details der neuen Organisation liegen bisher wenige konkrete Informationen vor. Die Rede ist von Institutionen, Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen aus 18 Ländern und Regionen. Wer gemeint ist, ist offen; es gibt nur Anzeichen dafür, dass sich Afghanistan, Nord-Korea, Kambodscha und Syrien darunter befinden. Im Vordergrund soll stehen, den staatlichen Einfluss auf die Verwaltung des Netzes zu priorisieren und damit dem aktuellen Multi-Stakeholder-Modell der Netzverwaltung, das auf gleichberechtigte Partizipation aller Interessensgruppen setzt, die Stirn zu bieten.

»The Chinese government would rather have a multilateral approach where governments have complete and utter control of internet governance […] [through] an international organization that starts more formally pushing state control over the internet globally,«

merkt Justin Sherman von der Cyber Statecraft Initiative an. Letztlich geht es darum, Standards neu und im Interesse von China zu definieren; aus einem internationalen Netz würde ein Nebeneinander vieler nationaler Intranets, um so die Vorstellung der »cybersovereignty« umzusetzen. Sollte die Welt-Internet-Konferenz mehr technischen und damit mehr politischen Einfluss bekommen, könnte sie zudem verstärkt Bündnisse schmieden, um zum Beispiel über die International Telecommunication Union (ITU) an Macht zu kommen.

Ähnliche Vorstöße aus China gab es bereits mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Sie beschäftigt sich mit der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit ihrer Mitgliedsstaaten sowie Wirtschafts- und Handelsfragen. Sie hat zwar bereits seit 2004 Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen, gilt aber noch als vergleichsweise lose Verbindung ohne erheblichen Einfluss. Ob die »Welt-Internet-Konferenz« ein ähnliches Schicksal erfährt, ist aktuell noch völlig offen, zumal unklar ist, ob und in welchem Umfang sich ihr Staaten wie Indien, Brasilien, Süd-Afrika oder Mexiko anschließen. Doch die Saat für einen ernsthaften ICANN-Konkurrenten ist gesät.

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