Internet

Studie zeigt den Anteil der EU an der Entwicklung von Internetstandards

Haben die von der EU angestossenen Initiativen über Internetstandards zu echten Veränderungen geführt? Dieser Frage ist eine neue Studie im »Journal of European Public Policy« nachgegangen – das Politik-Blog EUROPP (European Politics and Policy) hat Teile davon veröffentlicht.

Das Internet ist ein Netz unabhängiger Netzwerke, die dank gemeinsamer Standards und Protokolle wie dem Internet Protocol (IP) miteinander kommunizieren. Solche Standards wie das Domain Name System (DNS) werden in der Regel nicht von staatlichen Einrichtungen, sondern von privaten Organisationen wie der Internet Engineering Task Force (IETF) oder der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) entwickelt. Diese Organisationen sind ein integraler Bestandteil der Internet Governance, in der Regierungen, der Privatsektor und die Zivilgesellschaft miteinander konkurrieren, um die Zukunft des Internets zu definieren. Spätestens mit Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 hat die EU zu erkennen gegeben, dass man weltweit eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung dieser Standards spielen will; selbst die in den USA ansässige ICANN musste sich dem beugen und hat ihr WHOIS-System grundlegend reformiert. Doch die DSGVO war erst der Anfang. Seit 2019 hat die EU-Kommission eine Reihe von weiteren Initiativen gestartet, um ihre Rolle in Standardisierungsprozessen zu stärken und ihre eigene Vision vom Internet zu fördern. In einer neuen Studie haben Clément Perarnaud (Vrije Universiteit Brüssel) und Julien Rossi (Paris 8 University) die Entwicklungen unter der Präsidentschaft von Ursula von der Leyen untersucht und sie im »Journal of European Public Policy« kostenpflichtig veröffentlicht – im britischen Politik-Blog EUROPP geben sie einen kostenfreien Einblick.

Sie stellen fest, dass die EU zunehmend ihr Ziel durchsetzt, direkten Einfluss auf Internet-Infrastrukturen und Standardisierungsprozesse zu nehmen. So bleibt die EU nach aussen ein relativ diskreter Akteur bei der Standardisierung, aber ihre Abwesenheit in Organisationen wie der IETF bedeute nicht, dass sie inaktiv sei. So könne die EU indirekt durch EU-Mitgliedstaaten vertreten werden, auch wenn nur wenige von ihnen technische Experten mit genügender Fachkenntnis und Erfahrung entsenden können. Dessen ungeachtet sei auf europäischer Ebene in der EU-Standardisierungsstrategie 2022 die Internet-Standardisierung als zentrale Priorität festgelegt worden. Das Projekt »DNS4EU« könne dabei einen wesentlichen Richtungswechsel in der Art und Weise bewirken, wie die EU an die Infrastruktur herangeht. Ziel dieses Projekts ist die Entwicklung eines öffentlichen rekursiven DNS-Resolvers, der eine Alternative zu den Diensten bietet, die hauptsächlich – wenn auch nicht ausschließlich – von Nicht-EU-Unternehmen bereitgestellt werden. Das wäre ein direkter Eingriff der EU in die Internet-Infrastruktur. Für die beiden Autoren verdeutlicht diese Entwicklung, wie digitale Souveränitätsdiskurse von der EU nach und nach »operationalisiert« werden und wie sie ihre eigenen politischen Effekte erzeugen. Sie stellen aber auch fest, dass europäische Standardisierungsorganisationen in anderen Bereichen, etwa der Barrierefreiheit, dazu neigen, globale Internetstandards von privaten Konsortien zu integrieren, anstatt eigene zu erstellen.

Derartige Eingriffe in die Infrastruktur könnten den wachsenden Trend zur staatlichen Regelsetzung in der Internet-Governance weiter beschleunigen. Man muss nur an das Gesetz über digitale Dienste (DSA) und das Gesetz über den digitalen Markt (DMA) denken, die zwei Hauptziele verfolgen: die Schaffung eines sichereren digitalen Raums, in dem die Grundrechte aller Nutzer digitaler Dienste geschützt werden und Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Förderung von Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sowohl im europäischen Binnenmarkt als auch weltweit. Wer mehr wissen will: die vollständige Studie ist zu Preisen ab EUR 43,– kostenpflichtig erhältlich.

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