Aus Sorge um die Länderendung .ru bereitet Russland nach übereinstimmenden Medienberichten die Einführung eines eigenen Internets mit eigenen Root-Servern vor. Die technische Struktur des Domain Name Systems macht einen solchen Schritt jedoch wenig praktikabel.
Wie es in den Berichten heisst, hat der Sicherheitsrat der Russischen Föderation bereits Ende Oktober 2017 das Telekommunikationsministerium angewiesen, ein »system of backup DNS root name servers, independent of the control of ICANN, IANA and VeriSign, and capable of servicing the requests of users from the listed countries in the case of faults or targeted intervention« zu prüfen. Die »backup DNS root name servers« sollen in den so genannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika aufgesetzt werden und diesen zur exklusiven Nutzung zur Verfügung stehen. Auslöser für die Prüfung seien »the increased capabilities of western countries to carry out offensive operations in information space, and their willingness to use them«“, wie es in einem von Präsident Wladimir Putin unterzeichneten Dokument heisst. Zudem verweist das Dokument auf die Dominanz der USA und einiger EU-Staaten bei der Kontrolle des Internets. Man wolle sicherstellen, dass .ru auch dann funktioniert, wenn das Kürzel aus der Root-Zone entfernt oder entführt werde; konkrete Anzeichen dafür, dass das tatsächlich passieren könnte, gibt es jedoch nicht.
Technisch sinnvoll ist ein solcher Schritt kaum. Weltweit existieren 13 offizielle Root-Server, die, vereinfacht ausgedrückt, alle die Root-Zone spiegeln. Deren Ursprung ist der »A Root-Server«, der von VeriSign betrieben wird. Acht dieser Root-Server unterstehen keiner Kontrolle durch die US-Regierung, zwei sind ausserhalb der USA platziert. Würde einer der Root-Server manipuliert, gäbe es also noch mindestens 12 weitere Server, auf deren Datenbestand zurückgegriffen werden könnte. Anders ausgedrückt: die US-Regierung müsste den »A Root-Server« von den anderen Root-Servern abklemmen. Bis dahin hätten sowohl Internetingenieure als auch Regierungen zahlreiche Kopien ihrer Root-Zone erstellt und verteilt, zumal ICANN seit seiner Entlassung in die Unabhängigkeit von der US-Regierung streng darauf achtet, nicht zum Spielball politischer Interessen zu werden. Die US-Regierung hätten also nichts gewonnen, sondern allenfalls sich selbst isoliert. Auch wenn das nicht gewollt sein dürfte, ruft das Dokument im Ergebnis lediglich zur Einrichtung von noch mehr weltweit verteilten Root-Servern auf.
Die wahren Motive Russlands dürften deshalb darin liegen, mehr Kontrolle über das Internet und die weltweiten Datenströme zu erlangen. Der Versuch Russlands als auch China, über die International Telecommunications Union (ITU) mehr staatlichen Einfluss zu gewinnen, war bisher vergeblich. Der Aufbau eines eigenen »russischen Internets« mit eigenen Root-Servern dürfte hingegen unwahrscheinlich und kaum praktikabel sein; daran ändern auch Dokumente des Sicherheitsrat der Russischen Föderation nichts.