VeriSign Inc., Registry für die weltweit wichtigsten Top Level Domains .com und .net, hat bei der Internet-Verwaltung ICANN eine umfassende Ermächtigung zum Abschalten von Domain-Namen eingefordert. Doch nach heftiger Kritik zog VeriSign die Pläne offenbar zurück.
Es klang eigentlich ganz vernünftig: am 10. Oktober 2011 wandte sich VeriSign an ICANN und schlug vor, für alle Domains mit den Endungen .com, .net und .name eine „Anti-Abuse Domain Use Policy“ einzuführen. Auslöser ist ein Anstieg missbräuchlicher Aktivitäten durch Malware, der die Sicherheit des Internets gefährde. VeriSign wolle hierauf zum einen mit einem Scanning-Service reagieren, der Registraren infizierte Webseiten meldet, zum anderen mit der Anti-Abuse Policy eine Rechtsgrundlage einfordern, die VeriSign ermächtigt, rechtswidrige Domains zu suspendieren und abzuschalten. Der Vorschlag sah weitreichende Kompetenzen vor: im Missbrauchsfall solle VeriSign mit „denial, cancellation or transfer of any registration or transaction or the placement of any domain name on registry lock“ reagieren können.
Doch der Teufel steckt im Kleingedruckten: als Umstände, in denen man zum Handeln berechtigt wäre, benennt VeriSign „any applicable court orders, laws, government rules or requirements, requests of law enforcement or other governmental or quasi-governmental agency, or any dispute resolution process“. Demnach wäre VeriSign beispielsweise auf bloßen Zuruf einer Polizeibehörde und ohne Gerichtsentscheid berechtigt, eine Domain abzuschalten – und dies weltweit, ohne Begrenzung auf eine nationale Jurisdiktion. Doch was in den USA oder Europa erlaubt ist, könnte in Ländern wie Saudi-Arabien oder Uganda mit der Todesstrafe geahndet werden. Im Streitfall sollten die Domain-Inhaber daher berechtigt sein, im Rahmen eines neu zu schaffenden Verfahrens gegen die Maßnahme zu protestieren. Nicht nur bei der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) sorgt ein solches Verfahren für Bedenken: ACLU-Jurist Aden Fine gab an, dass das Motto wohl nicht heißen könne, zunächst abzuschalten und dann erst zu protestieren. Und auch die Registrare fürchteten, den Zorn ihrer Kunden abzubekommen, obwohl die Abschaltung nicht von ihnen selbst, sondern von VeriSign veranlasst worden wäre.
Inzwischen hat sich die Aufregung wieder gelegt: nach zwei Tagen war der Antrag wieder von der ICANN-Website verschwunden. Zu den Gründen hat sich VeriSign bisher offiziell nicht geäußert. So mancher traut VeriSign sogar zu, lediglich einen Testballon gestartet zu haben, um die öffentliche Reaktion und Argumente zu erhalten, weshalb auch das Bewerberhandbuch für die neuen Top Level Domains keinen solchen Mechanismus enthalten solle. Um mehr als Spekulation handelt es sich dabei aber bisher nicht.