Die US-Registry VeriSign Inc. geht in der Diskussion um die Höhe von .com-Gebühren in die mediale Offensive: mit einer Klarstellung im Unternehmensblog will man populäre Mythen widerlegen.
Am 02. August 2024 hat die National Telecommunications and Information Administration (NTIA) mitgeteilt, dass sie die vertragliche Beziehung mit VeriSign zur Verwaltung von .com erneuern wird. Zugleich hat sie jedoch angekündigt, Gespräche mit VeriSign über die Preisgestaltung im .com-Markt führen zu wollen. Man wolle mögliche Lösungen erörtern, die den Endnutzern, sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern, zu Gute kommen und dem öffentlichen Interesse dienen. hintergrund ist, dass .com das vertragliche Recht zur Gebührenerhöhung bisher stets vollumfänglich ausgenutzt hat, nach Ansicht von Kritikern aber ohne ein besseres Produkt oder einen besseren Service anzubieten. VeriSign-CEO Jim Bidzos ließ umgehend mitteilen, dass man bereit sei, Strukturen zu prüfen, unter anderem um die .com-Gebühren berechenbarer zu machen. Wer darin allerdings zu lesen glaubt, dass VeriSign die Gebühren für .com einfriert oder gar senkt, der dürfte sich irren. In einem Artikel im Unternehmensblog mit dem Titel Setting the Record Straight – Myths vs. Facts about .com hat Pat Kane, Senior Vice President Naming and Registry Services, die Dinge aus der Sicht von VeriSign klargestellt. Demnach werde ein Großteil der aktuellen Diskussion durch sachliche Ungenauigkeiten, ein Missverständnis grundlegender technischer Konzepte und Fehlinterpretationen in Bezug auf Preisgestaltung, Wettbewerb und Marktdynamik in der Domain-Branche verzerrt.
In seinem Artikel beschreibt Kane sieben »Mythen«, die nach Ansicht der Registry über .com verbreitet würden – und falsch seien. Der erste Mythos: »The technology that powers the .com TLD is not sophisticated.« bezieht sich auf die technische Kompetenz. Dem versucht Kane, Fakten entgegenzuhalten. Richtig sei, dass die Infrastruktur von VeriSign täglich durchschnittlich 329 Mrd. DNS-Transaktionen verarbeite und in diesem Jahr einen Spitzenwert von mehr als sechs Mio. Transaktionen pro Sekunde erreicht habe. Seit mehr als 27 Jahren habe VeriSign ohne Unterbrechung eine 100-prozentige DNS-Verfügbarkeit für .com gewährleistet; dies erreiche man durch den Betrieb eines großen, global verteilten Registrierungsbetriebs, der aus Hunderten von technischen Standorten besteht, die über mehr als 60 Länder auf sechs Kontinenten verteilt seien. Dann geht Kane in Mythos zwei (»The annual wholesale price for .com domain names – $10.26 as of Sept. 1 – is much higher than market value and is harming consumers.«) auf die Gebühren ein. Der jährliche Großhandelspreis für die Verlängerung einer .com-Domain sei niedriger als bei 87 Prozent der 448 gTLDs, für die solche Daten von Registraren verfügbar seien. Basierend auf diesen Daten, würden die Verlängerungspreise beispielsweise US$ 9,93 (.org), US$ 15,– (.biz) oder US$ 17,50 (.info) betragen; .xyz steige bis Ende September 2024 auf US$ 11,–, .online auf US$ 25,– und .store auf US$ 40,–. Das mache deutlich, dass die Preise für .com dem Marktwert entsprechen oder darunter liegen. Inhaber von .com-Domains seien eher von zwei Faktoren betroffen, auf die VeriSign keinen Einfluss habe: die steigenden Preise der Domain-Registrare und den unregulierten Sekundärmarkt, der große Bestände an Domains anhäufe und Preisaufschläge verlange, die in einigen Fällen tausendmal höher sind als der regulierte Großhandelspreis. Auch gegen eine regelmäßige Ausschreiben der .com-Verträge wehrt sich Kane und verweist auf die Bedeutung der „security, stability, and resilience“ des DNS.
Auch wenn jeder der sieben Mythen Anlass zur Diskussion gibt, gibt es derzeit jedenfalls kein konkretes Anzeichen dafür, dass es tatsächlich zu einer öffentlichen Ausschreibung von .com kommt. Die Zahl der ernsthaft in Betracht kommenden Bewerber wäre wohl ohnehin überschaubar: die zweitgrößte gTLD-Registry Radix verwaltet lediglich um die neun Mio. Domains, ein Bruchteil der aktuell gut 157 Mio. .com-Domains, und hat zudem ihren Sitz in Dubai, also außerhalb der USA. Selbst die GoDaddy-Tochter Registry Services LLC kommt auf nur 2,3 Mio. verwaltete Domains. Für .com gilt vielmehr das, was schon Adenauer wusste: »Keine Experimente«.