Umlaut-Domains

Exklusiv-Interview mit Afilias

Als erste der weltweit führenden Vergabestellen von generischen Top Level Domains hat .info-Betreiber Afilias die Einführung von Umlaut-Domains noch in diesem Jahr angekündigt. Ebenso wie die für .de zuständige DENIC e.G. hat sich auch Afilias für die strikte Anwendung des von der Internet-Regierung ICANN verabschiedeten Standards für „internationalized domain names” (IDNs) entschieden. Damit können Umlaut-Domains ebenso wie herkömmliche Domain-Varianten auch ohne spezielle Plug-Ins für den Browser genutzt werden. Dennoch drängen sich bei diesem revolutionären Schritt in eine neue Ära des Domain Name Systems (DNS) zahlreiche weitere Fragen auf. Als kompetenten Gesprächspartner rund um die neuen Umlaut-Domains konnten wir Rechtsanwalt Philipp Grabensee, Chairman des Board of Directors von Afilias, für ein ausführliches Interview gewinnen.



Herr Grabensee, Sie sind nunmehr zum Chairman des Afilias Board of Directors gewählt worden. Zunächst herzlichen Glückwunsch von unserer Seite. Welche Aufgaben hat ein solcher Chairman allgemein, und was sind die Kernpunkte, die Sie sich im Besonderen auf die Fahnen geschrieben haben?

Grabensee: Vielen Dank für die Glückwünsche. Grundsätzlich verstehe ich meine Aufgabe darin, die strategischen Zielvorgaben des Board of Directors zu moderieren und sie nach außen zu kommunizieren. Dazu gehört zum einem, den Dialog zwischen Management und Board zu fördern, zum anderen sicherlich auch ein gewisses Maß an Öffentlichkeitsarbeit. Insofern kann es auch keinen Unterschied zwischen meinen persönlichen Zielvorstellungen und denen von Afilias allgemein geben. Unser Ziel ist es, die Stellung von Afilias als technologisch führender Registry weiter auszubauen, und insbesondere das Wachstum unserer Flagship-Domain .info zu fördern.



Mit gegenwärtig etwa 1,2 Millionen registrierten .info-Domains und einem monatlichen Zuwachs von etwa 25.000 Adressen ist .info die erfolgreichste der sieben neu eingeführten Top Level Domains. ICANN hat sich von der Einführung der neuen TLDs im vorvergangenen Jahr einen Erkenntnisgewinn für die künftige Haltung hinsichtlich der weiteren Ausdehnung des Namensraumes versprochen. Welches Feedback können Sie nun aus der Sicht von Afilias an ICANN hierzu geben?

Grabensee: Grundsätzlich war es sicherlich richtig, die Anzahl an Top Level Domains und damit den gesamten Namensraum durch die Einführung von .info und sicherlich auch durch die Einführung der etwas spezielleren, eher für den US-Markt bestimmten gTLD .biz, weiter zu öffnen. Derzeit besteht aus unserer Sicht jedoch keine direkte Notwendigkeit einer darüber hinausgehenden Öffnung des Namensraumes durch die Einführung weiterer, allgemein zugänglicher Domain-Namen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass es keinen Bedarf an TLDs gibt, die bestimmte Zielgruppen ansprechen oder der Förderung des öffentlichen Wohls in bestimmten Bereichen dienen. Als eine der führenden Registries sehen wir unsere Aufgabe auch darin, unseren Beitrag zur technischen Realisation solcher Vorhaben zu leisten.


Lassen Sie uns nun zu DER Neuerung bei .info in diesem Herbst kommen. Bereits lange diskutiert wird die Einführung internationalisierter Domain Namen (IDNs), durch die auch Sonderzeichen wie deutsche Umlaute, vor allem aber asiatische Schriftzeichen als Second Level Domains registriert werden können. Erst kürzlich hat ICANN hierzu IDN-Guidelines verabschiedet, um die weltweit einheitliche Entwicklung weiter voranzutreiben. Afilias hat nun seinerseits angekündigt, IDNs alsbald anzubieten. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Grabensee: Wir sehen in der Einführung von IDNs einen logischen und auch notwendigen Schritt, das Internet einer noch breiteren Gruppe von weltweiten Nutzern zugänglich zu machen. Dies gilt besonders auch im Hinblick auf die Wachstumsmärkte in Asien, in denen ein Grossteil der Bevölkerung aufgrund von Sprachbarrieren von der Nutzung des Internets nahezu ausgeschlossen ist. Die Verabschiedung der genannten IDN-Guidelines bieten hierfür die entsprechenden Rahmenbedingungen.


Steht bereits ein verbindlicher Zeitplan fest, wann ein solches Angebot starten wird?

Grabensee: Afilias geht davon aus, die deutschsprachigen Umlaute bis Ende dieses Jahres einzuführen.


Sieht Afilias denn technische Probleme, da bisher nur wenige Browser wie beispielsweise die Version 7.1 des Netscape Communicators die Umlaut-Adressen ohne zusätzliches Plug-In erkennen?

Grabensee: Aufgrund von umfangreichen Tests gehen wir davon aus, dass sämtliche marktüblichen, aktuellen Browser die Umlaut- Adressen unterhalb von .info-Domains erkennen.


Sieht Afilias technische Probleme, da die eMail-Clients beim so genannten „Local Part“ der eMail-Adresse bisher keine Sonderzeichen und damit auch keine Umlaute zulassen oder erkennen? Damit käme es möglicherweise zu für die User verwirrenden Adressen wie juergen@müller.info.

Grabensee: Durch die Beachtung der IDN-Guidelines bei der Einführung unserer IDN-Lösung haben wir das aus unserer Sicht bestmögliche getan, für Klarheit im Netz zu sorgen. Anfängliche Ungereimtheiten sind bis zur endgültigen Implementierung der Guidelines auf allen Ebenen natürlich nicht auszuschließen.


Warum startet Afilias sein neues Angebot zuerst in Deutschland und nicht in Asien, wo die neuen Domains noch begehrter sein dürften?

Grabensee: Der deutsche Sprachraum ist für uns traditionell ein besonders wichtiger Markt, in dem .info aufgrund der führenden Stellung unserer Registrare besonders gut vertreten ist. Er eignet sich daher im besonderen Maße dafür, weltweit erstmalig IDNs, die im Einklang mit den offiziellen ICANN-Standards stehen, für eine generische TLD einzuführen.


Warum sind vorerst nur die drei Umlaute zugelassen? Rein technisch sollten doch wesentlich mehr Zeichen möglich sein?

Grabensee: Im Gegensatz zu den nationalen ccTLD-Verwaltungen sieht Afilias seine Aufgabe nicht darin, sämtliche im deutschen Sprachraum vorkommenden Zeichen eins zu eins abzubilden. Für uns ist wichtiger, eine möglichst große Gruppe von Nutzern zu erreichen, ohne dabei schon jetzt zu sehr in andere, noch vor der Einführung stehende Sprachräume einzudringen. Dies schließt keinesfalls aus, dass Afilias in Zukunft möglicherweise weitere Zeichen einführt.


Wird es eine Landrush- und/ oder Sunrise-Period geben?

Grabensee: Aufgrund unserer Erfahrungen aus der Vergangenheit haben wir uns gegen eine so genannte Sunrise-Period entschieden. Vielmehr werden die IDN-Domains nach dem bewährten „first come, first served“-Prinzip vergeben. Zur Vermeidung von dolosen Übertragungen an Dritte werden die Domains allerdings am Anfang der allgemeinen Registrierungen für einen gewissen Zeitraum auf Registry-Ebene gelockt sein.


Welche rechtlichen Probleme erwarten Sie durch die Einführung der Umlaut-Domains, und gibt es bereits Lösungsmodelle für Konflikte insbesondere im Kennzeichnungs- und Wettbewerbsrecht?

Grabensee: Wie bei jeder Einführung von neuen Domain-Namen ist ein gewisses Maß an Cybersquatting nicht gänzlich auszuschließen. Afilias ist jedoch der Auffassung, dass die Effektivität des gerichtlichen Markenschutzes insbesondere in den Ländern des deutschen Sprachraums die meisten Cybersquatter abschrecken wird. Dazu trägt insbesondere bei, dass die unterliegende Partei einer Auseinandersetzung in den meisten Fällen die Kosten einschließlich der Rechtsanwaltskosten der Gegenseite zu tragen hat. Sollte es dennoch zu Verletzungen kommen, steht den Geschädigten neben den jeweils nationalen Gerichten der Weg zu den entsprechenden Schiedsgerichten im Rahmen der UDRP (Uniform Domain Name Dispute Resolution) offen.


Welche Variante wird in die WHOIS-Datenbank eingetragen: die Umlaut-Domain oder zumindest auch die codierte Variante?

Grabensee: In die WHOIS-Datenbank wird nach dem jetzigen Stand unsere technischen Erkenntnisse sowohl die Umlaut-Domain, als auch die codierte Variante eingetragen.


Wenn man über die Domain-Zukunft spricht, fällt unweigerlich das Wort ENUM. Schon in wenigen Jahren sollen Internet und Telefonie verschmelzen und so eine grenzenlose Kommunikation unabhängig von der Art des Kommunikationsmittels ermöglichen. Was versprechen Sie sich von dieser neuen Technologie? Inwiefern beteiligt sich Afilias an diesem Projekt?

Grabensee: Afilias partizipiert derzeit sowohl in der „UK E-num trial group” (UKETG), der „UK E-num policy group”, als auch in dem neu gegründeten „Irish E-num Forum”. Im Rahmen dieser Feldversuche stellen wir unsere technisches und operatives Verständnis des Domain Name Systems (DNS) zu Verfügung, während wir gleichzeitig Möglichkeiten einer kommerziellen Nutzung untersuchen.


Abschließend eine letzte Frage: Wenn Sie drei Wünsche für die Domain-Zukunft hätten, was würde Ihnen dabei besonders am Herzen liegen?

Grabensee: Ich wäre ein schlechter Chairman, wenn ich meine Wünsche im Hinblick auf die Domain-Zukunft nicht automatisch mit meinen Wünschen für die Zukunft von Afilias verknüpfen würde. Wenn ich mir zum einen wünsche, dass Afilias seine technologische Führungsposition als Registry weiter ausbaut, will ich versuchen im Hinblick auf meine beiden anderen Wünsche objektiv zu bleiben. Ich Hinblick auf die Einführung von IDNs kann es nur in unsere aller Interesse sein, dass die IDN-Guidelines globale Beachtung finden, und es nicht zum Versuch des Baues eines zweiten Turms zu Babel kommt. Schließlich wünsche ich mir, dass etwas von dem positiven Pioniergeist, der das DNS einst beflügelte, wiederkehrt und die Menschen trotz der schwierigen Wirtschaftlage etwas mehr Mut finden, ihre Visionen zu verwirklichen.


Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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