stoppesso.de

Domain-Namen und die Meinungsfreiheit!

Anfang 2001 ging ein Aufschrei durch das Internet. Das LG Berlin hatte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren dem Ölkonzern Total-Fina-Elf Recht gegeben und dafür gesorgt, dass die Domain »oil-of-elf.de«, deren Inhaber die Organisation Greenpeace ist, vom Netz nehmen musste (LG Berlin, Urteil vom 18.01.2001, Az.: 16 O 33/01). Aber nur für kurze Zeit.

Wo der eine Mineralölkonzern noch erfolgreich war, scheiterte nun der Esso-Konzern: nämlich an dieser ersten Hürde. In einer jetzt bekannt gemachten Entscheidung des LG Hamburg (Beschluss vom 10.6.2002, Az.: 312 O 280/02) im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wurde der Antrag des Esso-Konzerns gegen den Inhaber, der Domain »stoppesso.de«, ebenfalls Greenpeace, auf Unterlassung zurückgewiesen.

StoppEsso.de
Die Antragstellerinnen dieses einstweiligen Verfügungsverfahrens sind Inhaber der im Verkehr überragend bekannten Marke »Esso«, die dem Unternehmenskennzeichen entspricht und als solches und darüber hinaus als Name Schutz genießt. Die Antragstellerinnen gingen von einer unzulässigen kennzeichenmäßigen Verwendung der Marke und des Unternehmenskennzeichens durch Greenpeace aus, die sie nicht hinzunehmen bräuchten. Sie beantragten das Verbot der Nutzung der Domain durch die Domain-Inhaberin.

Wo das LG Berlin ganz unproblematisch dem Mineralölkonzern Total-Fina-Elf Recht gab, winkte das LG Hamburg den Essokonzern ab: Das Gericht sah keine begründeten Unterlassungsansprüche aus §§ 14 und 15 MarkenG, da die Verwendung der Marke und des Unternehmenskennzeichens nicht kennzeichenmäßig, sondern als Plattform für Kritik am Unternehmen der Antragstellerinnen genutzt werde. Bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen sei es der Umweltschutzorganisation nicht verwehrt, sich entsprechend zu äußern und tätig zu werden; dann aber sei auch nach markenrechtlichen Gesichtspunkten kein Raum für ein Verbot.

Der Mineralölkonzern müsse sich wie alle in der Öffentlichkeit agierenden Personen oder Unternehmen eine kritische Befassung gefallen lassen und könne nicht verhindern, dass dabei auch Marke und Unternehmensname herangezogen werden.

oil-of-elf.de
Die Entscheidung des LG Berlin über die Domain »oil-of-elf.de« wurde vom Kammergericht Berlin (KG Berlin Urteil vom 23.10.2001, Az.: 5 U 101/01) aufgehoben. In den Urteilsgründen hieß es:

»Der Antragsgegner hat hier mit seiner Information unter der in Rede stehenden Domain allein seine ideellen, auf den Umweltschutz gerichteten Ziele verfolgt. Begleitende auch geschäftliche Interessen – eigene oder geförderter Dritter – sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Soweit die kritische Information über die Antragstellerin deren Konkurrenten im Wettbewerb zugute kommen kann, wäre dies nur eine beiläufige Folge der ideellen Tätigkeit.« […]

»Für juristische Personen und Unternehmenskennzeichen, die keinen Namen einer natürlichen Person enthalten, gilt der weite Interessenbegriff nur eingeschränkt. Ihnen kommt Namensschutz nur im Rahmen ihres Funktionsbereichs zu; der Schutz ist also auf geschäftliche Interessen beschränkt.« […]

»Eine vorübergehende Unklarheit in der Zuordnung einer Domain bis zum Aufruf der Internet-Seite begründet grundsätzlich noch keine hinreichende Interessenbeeinträchtigung, soweit es sich nicht um ein Firmenschlagwort mit überragender Verkehrsgeltung handelt.« […]

»Eine besondere inhaltliche Gestaltung einer Verlautbarung zur Erzielung einer größeren Öffentlichkeit steht unter dem Schutz des Art. 5 GG. Dieses Interesse des Antragsgegners überwiegt – jedenfalls zur Zeit – die allenfalls marginal berührten geschäftlichen Interessen der Antragstellerin (Art. 14 GG) deutlich.«

Die jüngere Entscheidung des LG Hamburg über die Domain »stoppesso.de« greift die Rechtsprechung des KG Berlin auf und unterstreicht nochmals, dass Domain-Namen, soweit sie der Meinungsäußerung und ihre besondere inhaltliche Gestaltung einer Verlautbarung zur Erzielung einer größeren Öffentlichkeit dienen, unter dem Schutz des Art. 5 GG stehen.

scheiss-t-online.de
Leider gibt es auch Gegenbeispiele, gegen die erst einmal reichlich zitierfähige Entscheidungen gefällt werden müssen. Beim Streit um die Domain »scheiss-t-online.de« des LG Düsseldorf (Urteil vom 30.01.2002, Az: 2a O 245/01) war das Gericht gegenüber dem Domain-Inhaber ungnädig. In der Entscheidung heißt es:

»Wer im Internet ein Diskussionsforum anbietet, in dem unzufriedene Nutzer sich über die Leistungen der Deutschen Telekom AG beklagen können, fördert damit zumindest die geschäftlichen Interessen der Mitbewerber und handelt damit im geschäftlichen Verkehr. Die Verwendung der Domain ›scheiss-t-online.de‹ ist geeignet, die Wertschätzung einer bekannten Marke in unlauterer Weise zu beeinträchtigen.«
Die Frage der Meinungsfreiheit hatte das Gericht gar nicht erst angeschnitten. Zu einem anderem Ergebnis als das KG Berlin kam das LG Düsseldorf, weil es den Schwerpunkt bei der Frage der Einwirkung auf den geschäftlichen Verkehr anders gelegt hat. Wo das KG Berlin erklärte,
»soweit die kritische Information über die Antragstellerin deren Konkurrenten im Wettbewerb zugute kommen kann, wäre dies nur eine beiläufige Folge der ideellen Tätigkeit«
meinte das LG Düsseldorf, dass die Förderung der geschäftlichen Interessen der Mitbewerber ein Handeln im geschäftlichen Verkehr sei (was das KG Berlin nicht anders sah) und deswegen, ohne die idellen Interessen ins Kalkül zu ziehen, die Markenbeeinträchtigung nicht geduldet werden müsse.

Fazit
Nun ist es sicher ein Unterschied, ob eine Umweltorganisation auf einer Webseite versucht, objektiv darzulegen, welche Umweltsünden ein weltweitoperierender Konzern begeht, oder ob ein Privatmann »eine Meckerecke für T-Online-User« betreibt. Das LG Düsseldorfer rekurierte in seiner Entscheidung unter anderem darauf, die Benutzung des Begriffs »scheiss« stelle »ohne jedes scherzhafte oder ironisierende Element eine bloße Herabwürdigung der Marken der Klägerin dar«. Der Blick auf den Inhalt der Seite hatte man sich an dieser Stelle verkniffen; anders als beim KG Berlin, das auch die »besondere inhaltliche Gestaltung« in ihr Kalkül miteinbezog.

Ist das der Unterschied: »scheiss« oder »stopp«? Wird die Kritik (nicht nur) eines enttäuschten Kunden erträglicher, wenn sie ironisch gefasst ist. Soll das also heißen: wenn schon Kritik, dann bitte zum Mitlachen für alle? An der Miesere der Kunden ändert das nichts. Eine ernsthaft vorgebrachte Kritik dürfte von einem Unternehmen eher wahrgenomen werden, als Ironie. Denn Ironie verstehen die wenigsten und schon gar nicht Konzernbürokraten. Das Wort »scheiss« hat man verstanden, aber leider falsch. Die Entscheidung aus Düsseldorf ist vertretbar begründet, aber »richtig« ist sie nicht.

NB
Ob ironisch oder herabwürdigend, Unternehmen wie die hier genannten sollten solche Meinungsäußerungen nicht einfach hin-, sondern ernst nehmen, und sich überprüfen. Kritik ist zuletzt für jedes Unternehmen positiv; schlimmer wäre es, wenn man es überhaupt nicht beachtete.

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