Impressum VI – „Backstage“ – „Impressum“
Das OLG Hamburg hat in einer Entscheidung vom November 2002 die Anforderungen an ein Impressum hinsichtlich der Bezeichnung, nämlich »Backstage«, und der Auffindbarkeit unter Zugrundelegung einer Bildschirmauslösung von 600 x 800 Pixeln Massstäbe gesetzt.
Hatte das LG Düsseldorf in seiner Entscheidung (Urteil vom 29.01.2003, 34 O 188/02) deutlich gemacht, dass vier verschiedenen Seiten anzuklicken, um endlich zum Impressum des Anbieters zu gelangen, einige Klicks zuviel sind (siehe Impressum V), so stellt das OLG Hamburg in seiner Backstage-Entscheidung – unter anderen Aspekten – engere Anforderungen. Denn bereits zwei Klicks können zuviel sein, wenn beim ersten der Internetnutzer nicht wissen kann, dass der Link zum Impressum führt und auf der verlinkten Seite der Begriff Impressum nicht vollständig lesbar ist, weil er nach rechts aus dem Fenster des Browsers hinausragt und entsprechend gescrollt werden muss.
Der Rechtsstreit
Die Parteien stritten nur noch über die Kosten eines Verfahrens, bei dem sie die Hauptsache für erledigt erklärten, weil die Antragsgegnerin ihre Internetseite mittlerweile in Ordnung gebracht hatte. Das LG Hamburg legte per Beschluss vom 26.08.2002 (Az.: 416 O 94/02) die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auf. Diese legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Nun musste das OLG Hamburg die gesamte Rechtslage prüfen und entscheiden (Beschluß vom 20.11.2002, Az.: 5 W 80/02).
Die Antragsgegnerin vertreibt über eine Homepage CD-Roms. Zu den Angaben über die Firma (Name, Anschrift, Vertretungsberechtigter usw.) kam man von der Startseite über einen mit »backstage« bezeichnetes Untermenü. Nach anklicken dieses Untermenüs erschien am rechten Bildschirmrand ein weiteres mit »Impressum« bezeichnetes Untermenü, wo die Angaben zu finden waren. Bei einer Bildschirmauflösung von 600 x 800 Pixeln war der Titel des Untermenüs »Impressum« nicht vollständig lesbar. Man musste nach rechts scrollen, um es ganz zu sehen.
Die Antragstellerin sah darin einen Verstoß gegen die Informationspflichten aus § 6 Ziff. 1, 2 und 4 TDG, und setzte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Unterlassung nach § 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) durch. Das LG Hamburg sah seitens der Antragsgegnerin eine ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil. Das wurde nun vom OLG Hamburg bestätigt.
Die Entscheidung
Das OLG Hamburg ist der Ansicht, die Antragsgegnerin hat bei der Gestaltung ihres Teledienstes die erforderlichen Angaben nach § 6 TDG nicht in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise bereitgehalten. Die Führung der erforderlichen Angaben unter dem Begriff »backstage« und die weiter gehende Anordnung in der Weise, dass der Nutzer den Hinweis »Impressum« auf der rechten Bildschirmseite bei einer Auflösung von 600 x 800 Pixeln erst nach vorherigem Scrollen vollständig lesen und die zugehörigen Angaben über die Antragsgegnerin erst nach Anklicken mehrerer Unterpunkte wahrnehmen kann, genügten nicht den Anforderungen des § 6 TDG.
Eine leichterkennbare Wiedergabe im Sinne des § 6 TDG setzt nach Ansicht des OLG Hamburg zum einen voraus, dass die Informationen optisch leicht wahrnehmbar sind. Insbesondere dürfen sie nicht derart platziert werden, dass ein vorheriges Scrollen des Bildschirms erforderlich ist, um sie lesen zu können. Zugleich muss der Anbieter einen Begriff wählen, die für den Nutzer auch als Hinweis auf die Angaben nach § 6 TDG verstanden werden. Üblich sind Begriffe wie »Kontakt« oder »Impressum«, die bei Internetnutzern bekannt sind. Der Begriff »backstage« wird im allgemeinen Sprachgebrauch hingegen eher mit der Musikbranche in Verbindung gebracht. Mit ihm wird die Erwartung verbunden, auf unterhaltsame Weise Einblicke im Hinblick auf eine künstlerische Darbietung oder die Person eines Künstlers zu erhalten, die der Öffentlichkeit gewöhnlich nicht zugänglich sind.
Dass auf der Folgeseite der Begriff Impressum verwandt wurde, änderte nichts am Fehlen der leichten Erreichbarkeit. Hinzu kam die nicht vollständige Lesbarkeit bei geringer Monitorauflösung.
Unter diesen Umständen waren die erforderlichen Informationen auch nicht unmittelbar erreichbar, denn diese müssen ohne wesentliche Zwischenschritte gewährt sein. Wobei auch bei diesem Punkt gilt, dass der vom Diensteanbieter gewählte Begriff nicht missverständlich sein darf.
Verstoss gegen UWG
Aus Sicht des Gerichtes stellt die Gestaltung des Teledienstes der Antragsgegnerin einen Verstoss gegen § 1 UWG dar. Denn
»durch ihr Verhalten hat sich die Antragsgegnerin bewusst und planmäßig einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil verschafft, so dass ihr Verhalten als sittenwidrig im Wettbewerb anzusehen ist.«
Zu dieser Bewertung kam das OLG Hamburg unabhängig davon, welche wettbewerbsrechtliche Qualtität § 6 TDG hat.
Hier stellt sich eigentlich die Frage nach dem Charakter des § 6 TDG, nämlich ob es eine »wertbezogene« oder eine »wertneutrale« Norm ist und ob sich also mittelbar ein Wettbewerbsverstoß aus ihr herleiten lässt. Allerdings ersparte sich das OLG Hamburg, das die Frage anriss, auch gleich die Antwort, weil es darauf in dem vorliegenden Falle gar nicht ankäme.
Andere Gerichte sind dieser Frage nicht ausgewichen und vertreten die Ansicht, das § 6 TDG keine wertbezogene Norm ist, weshalb sich ein Verstoß gegen die Impressumspflicht nur dann auch als ein wettbewerbswidriges Verhalten darstellt, wenn der Verstoß bewusst und planmäßig erfolgt. Das OLG Hamm hatte das in einer Entscheidung (Az.: 4 U 90/02) jedenfalls so formuliert.
»Wertbezogen« meint den Umstand, ob eine Vorschrift ein für die Allgemeinheit besonders wichtiges Gut schützt, etwa die Volksgesundheit, die Umwelt oder den Verbraucher. »Wertneutrale« Normen sind hingegen durch eine rein ordnende Funktion gekennzeichnet. Wann eine Norm »wertbezogen« oder »wertneutral« ist, hängt davon ab, welche Ziele mit ihr verfolgt werden.
Das OLG Hamburg geht an dieser Stelle auf die Entstehung des Teledienstegesetzes und seiner Herkunft aus der EG Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (2000/31 EG v. 8.6.2000) ein. Mit dieser Norm soll bekanntlichneben der Förderung der Informationsgesellschaft und des wirtschaftlichen Fortschritts auch ein einheitliches Schutzniveau im Bereich des Verbraucherschutzes gewährleistet werden. Aber, so das OLG Hamburg, auch im Wettbewerbsrecht kommt der Gedanke des Verbraucherschutzes immer mehr Bedeutung zu. Und außerdem handelt den guten Sitten im Wettbewerb zuwider, wer sich dadurch Vorteile im Wettbewerb verschafft, dass er gegen Normen verstößt, die gerade zum Schutz der regelmäßig schwächeren Vertragspartei erlassen worden sind.
Aber all diese Umstände führen aus Sicht des OLG Hamburg nicht dazu, dass sich der Unterlassungsanspruch über § 6 TDG herleiten lässt. Alleine die gesetzgeberische Intention, den Verbraucher zu schützen, macht diese Gesetze nicht zwingend zu wertbezogenen Normen. Dass sich aus einem Verstoß gegen diese Norm immer gleich auch ein unlauteres Verhalten herleiten lassen sollte, geht aus Sicht des Gerichts zu weit.
Im vorliegenden Falle müsse die Frage nicht weiter verfolgt werden,
»Da vorliegend bereits weitere Umstände die Unlauterkeit des Verhaltens der Antragsgegnerin begründen […]
Die Antragsgegnerin hat sich durch den Verstoß gegen § 6 Ziff. 1, 2. und 4 TDG bewusst und planmäßig einen sachlichen nicht gerechtfertigten Vorteil verschafft, indem sie es als Diensteanbieterin den Nutzern ihres Teledienstes erheblich erschwert hat, sich über ihren Vertragspartner ausreichend zu informieren«
Der Verstoß gegen § 6 TDG war für sich also nicht ausschlaggebend für den Wettbewerbsverstoß, sondern der Umstand, dass der Verstoß bewusst und planmäßig erfolgte.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Hamburg ist praxisgerecht, auch wenn es der Frage nach dem Charakter des § 6 TDG ausgewichen ist. Man sollte jedenfalls differenzieren zwischen Anbietern, die »versehentlich« falsche Angaben im Impressum machen und das Impressum nicht leicht erkennbar und unmittelbar erreichbar halten. Als Problem stellt sich die Frage, wann kein bewusstes und planmässiges Handeln vorliegt.
Immer mehr Entscheidungen über Internetimpressen deuten darauf hin, das hohe Anforderungen an den Anbieter von Telediensten bei der Anbieterkennung gestellt werden. Die in § 6 TDG benutzten Begriffe der leichten Erkennbarkeit und unmittelbaren Erreichbarkeit werden sehr Nutzerfreundlich verstanden. Und das zu Recht. Man sollte das Risiko nicht eingehen, sich wegen einer solchen Lapalie in einen Rechtsstreit zwingen zu lassen. Leicht erkennbare und unmittelbar erreichbare Anbieterinformationen dienen dabei nicht nur dem Internetnutzer, sondern den eigenen Interessen: weiss der Internetnutzer, mit wem er es zu tun hat, wird aus dem potentiellen eher ein tatsächlicher Kunde.
Das Urteil des OLG Hamburg findet sich u. a. in CR (Computer und Recht) 2003, S. 283 ff und hier.