OLG München

Stürzt fliegender Gerichtsstand ab?

Das OLG München durfte sich mit Beschluss vom 07.05.2009 (Az.: 31 AR 232/09) zur Debatte über die örtliche Zuständigkeit bei Rechtsstreiten über Rechtsverletzungen im Internet äußern. In München folgt man den neueren Tendenzen, den fliegenden Gerichtsstand kritisch zu prüfen und gegebenenfalls einzuschränken.

Über die örtliche Zuständigkeit stritten das AG München mit dem AG Bochum im Verfahren eines kartographischen Verlages mit Sitz im Bezirk des AG München, der Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung geltend machte. Die Beklagte, die ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Hagen hat, hatte von der Internetseite der Klägerin, von der aus unter anderem Stadtpläne unentgeltlich aufgerufen werden können, deren Nutzung aber entgeltpflichtig ist, Kartenmaterial für die eigene Internetseite genutzt, ohne zu bezahlen. Die Klägerin verlangte Schadensersatz und machte diesen zunächst per Mahnbescheid geltend, wobei sie darin als zuständiges Gericht das AG München bestimmte. Auf Nachfrage des Gerichts zum bestimmungsgemäßen Aufruf der Internetseite der Beklagten beantragte die Klägerin ohne weitere Stellungnahme, die Sache an das AG Bochum zu verweisen. Dem kam das AG München nach. Das AG Bochum lehnte die Übernahme des Rechtsstreits ab und sah im AG München das zuständige Gericht; dabei verwies es auf die Aufrufbarkeit der Internetseite mit der Urheberrechtsverletzung im gesamten Bundesgebiet.

Damit lag ein Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten vor. Da hier das höchste gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist, der mit sowas seit einigen Jahren in der Regel nicht mehr behelligt wird, war das OLG München für die Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit zuständig (§ 36 Abs. 2 ZPO), denn in dessen Bezirk gehört das AG München, das mit der Sache zuerst befasst war. Das OLG München sieht hier das AG Bochum als zuständiges Gericht. Beim Streit um die Zuständigkeit geht es alleine um die Frage, ob der Verweis für das AG Bochum bindend geworden ist. Das ergibt sich aus dem Umstand, ob die Parteien ausreichend rechtliches Gehör erhalten haben. Dies ist der Fall: Das AG München wies die Klägerin auf den nicht ausreichenden Tatsachenvortrag hinsichtlich des bestimmungsgemässen Abrufs der Internetseite der Beklagten und damit auf die Zuständigkeit des AG München hin (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

Gleichwohl liess es sich nach diesem Ergebnis das OLG München nicht nehmen, allgemein auf die Diskussion um den fliegenden Gerichtsstand im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen einzugehen. Es bestätigt die allgemeine Tendenz, dass hier eine ausufernde Praxis moniert wird, und sympathisiert mit der Einschätzung, „auf den konkreten Internetauftritt des Urheberrechtsverletzers abzustellen und zu prüfen, ob sich daraus Umstände ergeben, die für einen lokal begrenzten Auswirkungskreis der Internetseite sprechen“.

Mit dieser Entscheidung reiht sich das OLG München, wenn auch nicht so vehement, in die Reihe der Gerichte ein, die in jüngster Zeit den fliegenden Gerichtsstand immer schärfer eingrenzen und in einen Zusammenhang mit der tatsächlichen Wirkung eines Internetauftritts bringen. Entsprechende Entscheidungen legten das AG Frankfurt/M (Urteil vom 13.02.2009, Az.: 32 C 2323/08) sowie Amts- (Urteil vom 14.02.2007, Az.: 4 C 305/06) und Landgericht Krefeld (Urt. v. 14.09.2007, Az.: 1 S 32/07) vor. Das AG Frankfurt sah einen Missbrauch des fliegenden Gerichtsstands, weil keine der am Verfahren beteiligten Parteien ihren Sitz in Frankfurt hatte. Das AG Krefeld meinte in seiner Entscheidung, der Geschädigte selbst müsse am Ort des von ihm gewählten Gerichtsstandes von der rechtsverletzenden Handlung entweder unmittelbar oder zumindest dergestalt mittelbar getroffen werden, dass ein Dritter die rechtsverletzende Handlung zur Kenntnis genommen und hierdurch veranlasst in einer sich auf den Geschädigten auswirkenden Weise reagiert hat. Das LG Krefeld sah die Sache ein wenig anders, erklärte aber seinerseits, einer uferlosen Ausdehnung des fliegenden Gerichtsstandes müsse entgegengewirkt werden.

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