Das Amtsgericht Frankfurt am Main hatte in der Vergangenheit auf sich aufmerksam gemacht, da es der ausgedehnten Anwendung des fliegenden Gerichtsstands bei Rechtsverletzungen im Internet entgegengetreten ist. Nun hat das Landgericht in Frankfurt am Main zumindest eine der Entscheidungen aufgehoben.
Das AG Frankfurt am Main hatte sich in einem Fall der Urheberrechtsverletzung per Filesharing für unzuständig erklärt, weil der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand nicht im Bezirk des AG Frankfurt/M (§§ 12 ff ZPO) hat (Urteil vom 13. Februar 2012, Az.: 31 C 2528/11). Eine Zuständigkeit nach dem so genannten fliegenden Gerichtsstand (§ 32 ZPO) lehnte das Gericht ab, da dieser eingeschränkt werden müsse; andernfalls wäre jedes Gericht in Deutschland zuständig, auch wenn kein örtlicher Bezug vorliege. Die Vorschrift des § 32 ZPO beruhe auf dem Gedanken der Sachnähe, die eine leichtere Aufklärung verspricht; bloße technische Abrufbarkeit im Internet habe mit Sachnähe nichts zu tun. Sachnähe sei an dem Ort gegeben, wo das Download-Angebot bereitgehalten wird, aber nicht, wo die Klägerin ihre Ermittlungen betreibe. Dabei grenzte das Amtsgericht die Filesharing-Angebote von Online-Angeboten im World Wide Web ab: Bei Filesharing-Angeboten habe der Schädiger keinen Einfluss auf deren Verbreitung und kann den Adressatenkreis nicht begrenzen. Bei Internetseiten im WWW hingegen habe der Anbieter Einfluss auf die Sprache des Angebots, die gegebenen Inhalte, die technische Abrufbarkeit mit den verschiedenen Browserprogrammen sowie durch zum Beispiel Versandbeschränkungen. Die technischen Besonderheiten des Filesharing-Angebots rechtfertigen es nicht, den Beklagten den Nachteilen einer unbeschränkten Gerichtswahl auszusetzen. Die Klägerin erhielt das beantragte Versäumnisurteil nicht und musste in Berufung zum Landgericht Frankfurt/M gehen.
Das Landgericht in Frankfurt hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und gab dem Antrag der Klägerin auf Ersatz der Abmahnkosten statt (Urteil vom 18.07.2012, Az.: 2-06 S 3/12). Das Landgericht ist der Ansicht, das AG Frankfurt/M war zuständig, denn die Regeln über den fliegenden Gerichtsstand fänden hier Anwendung. Es ist der Ansicht, dass „bei einem bewussten Zugänglichmachen von urheberrechtlich geschützten Werken im gesamten Bundesgebiet eben auch eine gerichtliche Zuständigkeit – vorhersehbar – im ganzen Bundesgebiet entsteht.
Wer an einem Ort in eine bundesweit abrufbare Tauschbörse einen Musiktitel einstellt, weiß nicht nur, sondern bezweckt auch gerade, dass das „Angebot“ zur Vervielfältigung dieser Datei von möglichst vielen Menschen an möglichst vielen Orten im gesamten Bundesgebiet angenommen wird.”
Filesharing-Systeme bezwecken gerade, viele Teilnehmer zu erreichen und das Verbreitungsgebiet zu vergrößern.
Der Nutzer einer solchen Tauschbörse beabsichtigt daher nicht, dass lediglich die Nutzer im Bezirk seines Wohnsitzgerichtes oder dem Sitzgericht des Rechteinhabers die Datei herunterladen, sondern gerade möglichst umfassend in der gesamten Bundesrepublik und der gesamten Welt.”
Die so entstehende freie Wahl des Gerichtsstandes durch den Kläger sei nicht zu beanstanden. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass der Gesetzgeber anlässlich zahlreicher Urheberrechtsnovellen eine entsprechende Regelung hätte einarbeiten können, wenn er die Zuständigkeit für solche Urheberrechtsverletzungen gesondert geregelt haben wollte. Beim Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb hingegen hat er entsprechende Regeln normiert. Schließlich resümiert das Gericht, dass die Vermehrung der möglichen Gerichtsstände nur das Spiegelbild der Vermehrung der Verbreitungsmöglichkeit durch File-Sharing-Netzwerke ist.
Mit diesem Urteil nimmt der fliegende Gerichtsstand des § 32 ZPO an den Frankfurter Gerichten wieder an Fahrt auf. Welche Auswirkungen die Entscheidung für die Zukunft hat, wird man sehen. Erfreulich ist das Urteil nicht, zumal es auch Entscheidungen mit anderen differenzierten Begründungen gibt, warum der fliegende Gerichtsstand und damit die Zuständigkeit jeden Gerichts in so wie hier gelagerten Fällen nicht anzuwenden sei.
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