Frankfurt/M

Fliegenden Gerichtsstand besteht weiter, trotz Anti-Abmahngesetz

Die Frage des fliegenden Gerichtsstands bei wettbewerbswidrigem Verhalten bleibt mit Einführung des Anti-Abmahngesetzes am 02. Dezember 2020 gleichwohl in der Schwebe. Nun hat sich das Landgericht Frankfurt am Main, im Einklang mit dem Landgericht Düsseldorf, für ihn ausgesprochen, soweit nicht die Gefahr von Massenabmahnungen besteht, wie man sie bei einer Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten kennt.

Das Anti-Abmahngesetz wurde geschaffen, um unter anderem den fliegenden Gerichtsstand bei Verstößen, die in Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden, einzuschränken (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 UWG). Das Landgericht Düsseldorf fand in einem einstweiligen Verfügungsverfahren Anfang des Jahres jedoch Gründe, warum der fliegende Gerichtsstand in bestimmten Fällen doch noch Wirkung entfaltet (Beschluss vom 26. 02.2021 – Az. 38 O 19/21). Das in der Sache später tätige OLG Düsseldorf (Beschluss vom 16.02.2021 – Az. 20 W 11/21) hatte die Entscheidung des LG Düsseldorf korrigiert. Nun schlägt sich aber das LG Frankfurt am Main auf die Seite des LG Düsseldorf und setzte seinem Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren folgenden Leitsatz voran (Urteil vom 11.05.2021, Az. 3-06 O 14/21):

Die Zuständigkeitsregelung des § 14 II 3 Nr,. 1 VWG greift nur ein, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpft.

Hintergrund für das Verfahren bildet die Abmahnung einer Rechtsanwaltsgesellschaft, die mit den sie betreffenden Inhalten der Webseite eines Beraters und Vortragsredners, der bundesweit tätig ist, unzufrieden ist. Sie mahnte ihn wegen Unlauterkeiten und einer Persönlichkeitsrechtsverletzung (unerlaubte Handlung) ab. Das LG Frankfurt am Main sah sich als örtlich zuständig, da die Zuwiderhandlungen online und damit bundesweit und also in seinem Bezirk begangen worden seien. Dabei differenzierte das LG Frankfurt die beiden Anträge der Verfügungsklägerin. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs wegen unerlaubter Handlung sah sich das LG Frankfurt aufgrund von § 32 ZPO zuständig. Komplexer fiel die Beurteilung der Zuständigkeit bei dem Antrag aus, der sich auf unlauteren Wettbewerb des Verfügungsbeklagten stützt. Hier sah sich das Gericht nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ebenfalls örtlich zuständig, da auch hier die Zuwiderhandlung, da online erfolgt und bundesweit abrufbar, in seinem Bezirk begangen wurde. Das LG Frankfurt ist dabei der Ansicht, und stützt sich auf den Beschluss des LG Düsseldorf, dass die Einschränkung der Zuständigkeitsregelung in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, wonach Satz 2 nicht für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gilt, im vorliegenden Fall nicht greife. Es fehle an der notwendigen Eindeutigkeit des Wortlauts, wie die Doppelung der Begriffe »elektronischer Geschäftsverkehr« und »Telemedien« belege, weshalb sie teleologisch auszulegen sei. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich, dass zunächst die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes geplant war, dann aber aufgegeben wurde zugunsten einer Regelung, die den fliegenden Gerichtsstand auf typische Fälle rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen beschränken sollte, wie der Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet. Das LG Frankfurt schließt mit dem LG Düsseldorf daraus, »dass dem gesetzgeberischen Willen eine textliche Angleichung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG an die Regelung in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG entsprach, die jedoch aufgrund eines redaktionellen Versehens unterblieben ist«. Demnach greife der Ausschlusstatbestand nur dann, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpfe. Eine solche Rechtsverletzung sei hier aber nicht Gegenstand des Streits: der Verfügungskläger mache einen Verstoß geltend, der sich auf § 4 Nr. 1, 2 UWG stützt; er wirft dem Antragsbeklagten vor, mit seiner Anleitung, wie man einer Abmahnung eines bestimmten Anwalts kostengünstig ohne Hinzuziehung eines Anwalts begegnet, als Mitbewerber wettbewerbswidrig zu handeln. Bei diesem Verstoß fehle es aber an dem hohen Missbrauchspotential und der Gefahr von Massenabmahnungen, wie man sie bei einer Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten kenne. Kurz gesagt: Die Intention des Gesetzgebers, Massenabmahnungen einzuhegen, erfasst demnach nicht individuelle und spezielle Äußerungen im Internet.

Das Gericht sah letztlich den auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten gerichteten Antrag zu 1) des Verfügungsklägers als begründet an, meinte aber, der Antrag zu 2) hinsichtlich der Wettbewerbsverletzung sei nicht begründet, da keine Wettbewerbssituation vorliege: Das Gericht meinte, es

steht erkennbar die Berichterstattung über den Rechtsstreit und die nach Meinung des Verfügungsbeklagten bestehenden Folgen für Betroffene im Vordergrund, nicht aber ein konkreter Rechtsrat des Verfügungsbeklagten, so dass es an dem erforderlichen wettbewerblichen Bezug fehlt.

Wir dürfen gespannt sein, wie die nächste Instanz in diesem Rechtsstreit mit der Neuregelung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 UWG umgeht. Die Begründung für die Bejahung desselben unter den vom LG Düsseldorf und LG Frankfurt am Main dargelegten Voraussetzungen lässt sich durchaus vertreten. Das OLG Düsseldorf meint, das Landgericht Düsseldorf lege die Norm falsch aus und schränke sie auf Verletzungen von »internetspezifischen Kennzeichnungspflichten« ein, der Wortlaut des Gesetzes enthalte die vom Landgericht vorgenommene Einschränkung nicht. Das LG Frankfurt zeigt im hier besprochenen Fall klar an, dass seine Entscheidung anfechtbar ist. Wie im Rahmen einer Anfechtung entschieden werden wird, bleibt zunächst offen. Auf jeden Fall lässt sich einmal mehr sagen: es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an – und die Rechtsansichten der unterschiedlichen Gerichte.

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