§ 32 ZPO

Fliegender Gerichtsstand bestätigt

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht gibt in einem Beschluss vom September 2013 einen Überblick über die Rechtsprechung zum fliegenden Gerichtsstand (§ 32 ZPO) bei Urheberrechtsverletzungen im Internet und geht davon aus, dass die Norm weit auszulegen und ein Missbrauch der Gerichtswahlregel nur in extremen Fällen anzunehmen ist (Beschluss vom 13.09.2013, Az.: 2 AR 28/13).

Die in Österreich ansässige Klägerin produziert und vermarktet digitale Unterhaltungsprodukte, darunter auch ein in Deutschland für den deutschsprachigen Raum entwickeltes Spiel, für das sie die ausschließliche Nutzungsrechtsinhaberin sein soll. Dieses Spiel soll der Beklagte unerlaubterweise über ein Peerto-Peer Netzwerk zum Herunterladen angeboten haben. Die Klägerin ließ den Beklagten, der in Hessen lebt, von ihrem Hamburger Anwalt im November 2012 abmahnen und bot an, die Sache mit Blick auf mögliche Ansprüche durch Zahlung eines Pauschalbetrages von EUR 900,– zu beenden. Der Beklagte gab eine modifizierte Unterlassungserklärung ab, erklärte aber, er habe weder eine Tauschbörsensoftware installiert, noch die streitgegenständliche Spieldatei auf seinem PC gehabt. Seine Ehefrau und seinen volljährigen Sohn habe er bereits im März 2011 darauf hingewiesen, dass das Verwenden einer Tauschbörsensoftware in aller Regel zu Urheberrechtsverletzungen führe und dass er dies nicht gestatte. Den von der Klägerin geforderten Betrag von EUR 900,– weigert er sich, zu zahlen.

Die Klägerin beantragte daraufhin einen Mahnbescheid, in dem sie EUR 900,– zur Zahlung geltend machte. Als Prozessgericht hatte die Klägerin auf dem Mahnbescheid das Amtsgericht Norderstedt bei Hamburg angegeben. Der Beklagte legte Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, so dass die Sache an das AG Norderstedt ging. Das Gericht erklärte sich in der Sache für nicht zuständig, da die Parteien und deren Prozessbevollmächtigte keinerlei Bezug zum angerufenen Gericht aufwiesen, und erklärte das Amtsgericht Hamburg für zuständig, in dessen Bezirk der Klägervertreter seinen Sitz hat. Das AG Hamburg erklärte sich seinerseits für unzuständig und sandte die Akten nach Norderstedt zurück mit der Begründung, eine rechtsmissbräuchliche Gerichtsstandswahl liege nicht vor, alles bewege sich im Rahmen der Regeln über den fliegenden Gerichtsstand (§ 32 ZPO). Das AG Norderstedt legte die Sache sodann dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur verbindlichen Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht erklärte in einem Beschluss vom 13.09.2013 das Amtsgericht Norderstedt für zuständig (Beschluss vom 13.09.2013, Az.: 2 AR 28/13). Aus Sicht des OLG ist der Verweisungsbeschluss an das AG Hamburg unrichtig. Wie das AG Norderstedt richtig erkannt habe, gilt im Rahmen der hier in Streit stehenden unerlaubten Handlung der fliegende Gerichtsstand (§ 32 ZPO). Dabei gilt als Ort der unerlaubten Handlung (Erfolgsort) der, wo der beanstandete Internetauftritt (das peer-to-peer Netz) bestimmungsgemäß abgerufen werden kann. Die Zielgruppe für das von einem deutschen Unternehmen entwickelte Spiel befindet sich vor allem in Deutschland. Demnach stand es der Klägerin offen, bestehende Rechtsprechungsunterschiede zwischen den zuständigen Gerichten auszunutzen und ein Gericht des fliegenden Gerichtsstandes aus taktischen Gründen auszuwählen – in diesem Falle das AG Norderstedt. Gleichwohl hätte es die Möglichkeit einer rechtsmissbräuchlichen Gerichtswahl gegeben. So im Falle, die Klägerin hätte ein besonders entlegenes Gericht gewählt in der Hoffnung, der Gegner werde sich im gerichtlichen Verfahren nicht zur Wehr setzen, weil er die Kosten und den erheblichen persönlichen Aufwand einer Reise scheut. Aber die Wahl des AG Norderstedt – anstelle des AG Hamburg – ist nicht rechtsmissbräuchlich, da Norderstedt unmittelbar an das Hamburger Stadtgebiet grenzt, Bestandteil des Hamburger Verkehrsverbundes und vom Flughafen Fuhlsbüttel aus besser erreichbar als die Hamburger Innenstadt ist.

Das Amtsgericht Norderstedt muss nun über die Frage, ob der Beklagte EUR 900,– an die Klägerin zu bezahlen hat, entscheiden (im Zweifel hat das Gericht das bereits entschieden). Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zeigt die Problematik des fliegenden Gerichtsstands nochmals übersichtlich auf. In seiner Entscheidung legt es die Möglichkeiten des fliegenden Gerichtsstandes weit aus und zieht als Grenze für missbräuchliche Gerichtswahl die Entscheidung des LG Aurich heran. Dieses war der Ansicht, wenn der weit abgelegene Gerichtsort nicht einmal einen Bahnhof aufweist, liege ein Missbrauch vor (Beschluss vom 22.01.2013, Az.: 6 O 38/13 (5)). Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, darüber lässt sich weiter streiten.

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