Am Scheideweg

droht ICANN bald das Ende?

Nachdem ICANN die Einführung neuer Domain-Endungen auf den Weg gebracht hat und die Bewerbungsphase läuft, steht die Internetverwaltung weiter und verstärkt in der Kritik. Bedeutet die Einführung neuer Domain-Endungen möglicherweise sogar das Ende von ICANN?

Seit ICANN das neue Programm zur Einführung neuer Domain-Endungen im Juni 2011 auf dem Singapur-Meeting abgesegnet hat, werden Stimmen gegen ICANN lauter. Nicht nur suchte ANA (Association of National Advertisers) mit zahlreichen namhaften Konzernen im Rücken das Einführungsprogramm zu stoppen; auch andere Interessengruppen und Medien wandten sich gegen das Programm und ICANN, zuletzt selbst Stimmen, die tatsächlich von der Einführung neuer Endungen profitieren, aber gleichwohl mit der Arbeit von ICANN nicht zufrieden sind. Schließlich plädierte jüngst der Wired Magazin-Redakteur David Rowan für die Abschaffung von ICANN und die Abgabe der Internetverwaltung in „sicherere Hände“.

Die Vorwürfe, die aus den unterschiedlichen Reihen an ICANN gerichtet werden, umfassen Punkte, die allgemein gegen ICANN gerichtet werden und der Institution Undurchsichtigkeit, Eitelkeit, die Unfähigkeit, Fehler einzugestehen, sowie Gier vorwerfen. Gegen das new gTLD-Programm wird eingewandt, dass es zu schnell in die Wege geleitet wurde, es am Nutzer vorbei gehe, dass es zu teuer ist, einerseits für Bewerber, andererseits für Kennzeichenrechteinhaber, die in Kürze Unmengen an Domains registrieren müssen, um ihre Kennzeichen vor Cybersquatting zu schützen, und schließlich, dass an der Planung des Programms maßgeblich jene Entitäten beteiligt seien, die unmittelbar davon profitieren: die Domain-Industrie.

Die Menge an Vorwürfen könnte durchaus ausreichen, Verantwortliche dazu zu bewegen, ICANN die Domain Server Verwaltung zu entziehen – ein Risiko, welches sich in Kürze realisieren könnte, wenn die Verlängerung des Verwaltungsvertrags ansteht. Doch die meisten Vorwürfe, insbesondere wenn von fachfremden Journalisten vorgebracht, beruhen auf Unkenntnis und mangelnder Reflexion. Argumente gegen den unübersichtlichen Multi-Stakeholder-Aufbau von ICANN und die damit einhergehende Mitentwicklung des new gTLD-Programms durch die Internetindustrie liegen fehl, da gerade durch die Struktur gewährleistet wird, wozu Politik nicht in der Lage ist: Kompetenz unterschiedlicher Professionen unmittelbar und weitestgehend transparent mit in die Arbeit einfließen zu lassen. Dabei hat ICANN gerade den Schutz von Kennzeichenrechteinhabern wie nie zuvor in den Vordergrund gestellt, um den Ausgleich zwischen einem umfangreich und widersprüchlich fragmentierten gesetzlichen Kennzeichenschutz sowie dem eindeutigen Zuordnungssystem für Domain-Namen herzustellen. Dass ein solches Programm genauso wenig perfekt ist wie jene Institution, die es in die Welt setzt, dass beides aufgrund dieser gegebenen Mängel immer zu früh kommen wird, weil eben keine Interessen voll befriedigt werden können, jedoch die Dinge irgendwann beginnen müssen, um sich – hoffentlich zum Besseren – entwickeln zu können, lässt sich schwerlich widerlegen. ICANN ist nicht frei von Fehlern, genauso wenig wie das new gTLD-Programm, aber ICANN ist das beste, was es bisher gibt, um das Domain-Name System zu verwalten, und zeigt die notwendige Kompetenz, das new gTLD-Programm ins Leben zu rufen und in Zukunft zu verbessern.

Einen Überblick gewährt eine 30-minütige Keynote-Rede von Rod Beckstroem, in der er das new gTLD-Programm und ICANN erklärt.

Quelle: circleid.com, washingtonpost.com, nytimes.com, kernelmag.com, ana.net

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