Die Internet-Verwaltung ICANN steuert auf den ersten ernsten Konflikt mit Web3-Domains zu: mehrere Anbieter von Blockchain-Domains fordern Sonderrechte bei der Einführung neuer generischer Domain-Endungen ein.
Trotz millionenfacher Registrierung sind Blockchain-basierte Web3-Domains wie .eth, .crypto oder .wallet bisher über ein Nischenprodukt nicht hinausgekommen. Zu groß sind die technischen Einschränkungen in der Nutzung gegenüber traditionellen Domain-Namen, die auf dem von ICANN verwalteten Domain Name System beruhen. Mit der für das 2. Quartal 2026 geplanten Einführung hunderter neuer Top Level Domains könnte sich das aber ändern, denn dann droht das Problem der »name collision«, falls eine neue Domain-Endung delegiert wird, die mit einer Blockchain-TLD übereinstimmt. Diese Sorge treibt auch die Anbieter von Web3-Domains um, weshalb sie beabsichtigen, sich bei ICANN um solche Endungen zu bewerben – allerdings nicht, ohne Sonderrechte zu fordern. Alexander Urbelis, General Counsel von Ethereum Name Service, nutzte die Gelegenheit, um den Entwurf des Bewerberhandbuchs von ICANN wie folgt zu kommentieren:
ICANN should consider that a new gTLD, for which an identical string already exists in an alternative name space, should be considered a compromised asset, and that delegating such gTLDs may subject ICANN, and applicants, to substantial liability. In addition to the technical issues posed by name collision, such delegations could also result in consumer confusion, difficulties with resolving queries (particularly as access to alternative names is increasingly integrated into mainstream web browsers), security risks, and broken authentication systems.
Der Ethereum Name Service betreibt mit .eth die wohl beliebteste Web3-Domain, sie soll auf 1,6 Mio. Registrierungen kommen. Eine Bewerbung bei ICANN ist aber ausgeschlossen, da die Zeichenkette „eth“ als Kürzel für Äthiopien Schutz nach der ISO-3166-1-Kodierliste geniesst.
Das US-Unternehmen Unstoppable Domains, das dutzende alternativer Domain-Endungen vermarktet, hat den Entwurf des Bewerberhandbuchs ebenfalls kommentiert und fordert Klarheit, welche Kriterien bei der „name collision“ entscheidend sind. Michael Campagnolo, Head of Operations bei Unstoppable Domains:
If ICANN wants to help applicants to assess their risk pre-application submission, examples and sources of qualitative evidence should be described and made available to applicants prior to, and in a reasonable amount of time before the opening of the application window, similar to the quantitative information.
Derzeit sieht das Bewerberhandbuch vor, dass sowohl quantitative Daten als auch nicht näher spezifizierte qualitative Faktoren berücksichtigen werden; letzteres könnte die Existenz einer alternativen Web3-Domain erfassen. Würde sich Unstoppable Domains wie angekündigt um das Web2-Pendant vieler Web3-Domains bewerben und dann an der Hürde der »name collision« scheitern, droht der Verlust von Bewerbungsgebühren und Kosten in Millionenhöhe. Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt beim Security and Stability Advisory Committee von ICANN; dort sieht man in Web3-Domains erhebliche Risiken, was zu einer generellen Ablehnung einer solchen Bewerbung führen könnte.
Konfliktpotential durch neue Domain-Endungen befürchtet auch die Napa Valley Vintners. Der gemeinnützige Branchenverband von Winzern aus dem kalifornischen Napa Valley hat sich an ICANN gewandt und »strong opposition to the creation of any generic top-level domain (gTLDs) that uses our distinctive name« angekündigt. Ziel ist es, dass die Namen der Weinanbaugebiete in die Liste der reservierten Namen im Bewerberhandbuch aufgenommen werden. Einmal mehr geht es also um den Schutz von geographische Herkunftsangaben, wie ihn § 126 MarkenG in Deutschland oder europaweit die Verordnung (EU) 2023/2411 vorsieht. Bereits in der Einführungsrunde 2012 hatte der ICANN-Regierungsbeirat Governmental Advisory Committee (GAC) Protest gegen die Einführung weinspezifischer Endungen wie .wine und .vin angekündigt; auch in Frankreich mit Bordeaux und der Champagne reagierte man hierauf sehr sensibel. Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Registry Identity Digital, die Vergabe nach nicht näher bekannten Regelungen einzuschränken, machte den Weg aber letztlich frei. Nicht ausgeschlossen, dass es hier noch zu Änderungen im Bewerberhandbuch kommt, um weitere Diskussionen zu vermeiden.