Die Internet-Verwaltung ICANN muss im Streit um .africa erneut eine juristische Niederlage einstecken: in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren urteilte der Central District of California, dass die Regelung im Bewerberhandbuch, die ein Gerichtsverfahren eigentlich ausschliessen sollte, unwirksam sein dürfte.
Am 26. Februar 2016 hatte DotConnectAfrica (DCA) die Klage vor dem Central District of California – Western Division erhoben und eine Vielzahl von Vorwürfen gegen ICANN sowie den .africa-Mitbewerber ZA Central Registry (ZACR) erhoben. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht der seit langem schwelende Streit, ob ICANN mit der Entscheidung, den Registry-Vertrag für .africa an ZACR zu vergeben, rechtmäßig gehandelt hat. Am 4. März 2016 entschied das Gericht zunächst, dass ICANN zumindest vorläufig von einer Delegierung (also der Eintragung von .africa in die Root Zone) absehen muss. ICANN hatte sich hingegen auf die Regelung in Ziffer 6 der »Terms and Conditions« im Bewerber-Handbuch berufen, die einen Gang vor ein Zivilgericht ausschließt. Wörtlich heisst es dort:
Applicant hereby releases ICANN […] from any and all claims by applicant that arise out of, are based upon, or are in any way related to, any action, or failure to act, by ICANN […] in connection with ICANN’s […] review of this application. Applicant agrees not to challenge […] and irrevocably waives any right to sue or proceed in court.
Die Regelung betrifft nicht nur .africa, sondern war von jedem Bewerber um eine neue Top Level Domain zu unterzeichnen.
Nach vorläufiger Ansicht von Richter Gary Klausner verstößt eine solche Regelung jedoch gegen § 1668 des kalifornischen Civil Code. Diese Norm besagt, dass
[a]ll contracts which have for their object, directly or indirectly, to exempt anyone from responsibility for his own fraud, or willful injury to the person or property or another, or violation of law, whether willful or negligent, are against the policy of the law.
Würde man Ziffer 6 der »Terms and Conditions« ihrem Wortlaut nach folgen, wäre eine Klage in jedem Fall ausgeschlossen, also selbst dann, wenn – was DCA unter anderem behauptet – ICANN einen arglistigen oder vorsätzlichen Verstoss begangen hätte; ein solch weitreichender Ausschlusss verstoße gegen § 1668. Der Einwand ICANNs, dass § 1668 nur Vereinbarungen betreffe, die, anders als das Bewerberhandbuch, im öffentlichen Interesse geschlossen werden, vermochte Gary Klausner nicht zu überzeugen; das von ICANN zitierte Urteil in Sachen Tunkl v. Regents of Cal. sei nicht einschlägig. Unklar ist derzeit allerdings, ob Klausner dabei den Sachverhalt richtig erfasst hat; seine Urteilsbegründung legt den Schluss nahe, dass er davon ausgegangen ist, dass die Bewerbung von DCA die Unterstützung afrikanischer Regierungen genießt; tatsächlich gilt dies jedoch allein für die Bewerbung von ZACR. Gleichwohl erließ Klausner zur Vermeidung irreparabler Schäden eine Entscheidung, die es ICANN auch weiterhin untersagt, .africa zu delegieren, bis das Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist. Wann das sein wird, ist derzeit völlig offen; jedenfalls in naher Zukunft wird daher keine Registrierung von .africa-Domains möglich sein.
Für ICANN ist das nicht die erste Niederlage. Am 09. Juli 2015 hatte das Independent Review Panel (IRP) geurteilt, dass ICANN im Umgang mit der DCA-Bewerbung in mehrfacher Hinsicht gegen die eigenen Statuten verstossen hat, und belebte die praktisch bereits tote Bewerbung damit neu. Es gilt jedoch derzeit als ausgeschlossen, dass DCA den Zuschlag für .africa tatsächlich erhält, gerade weil es an der politischen Unterstützung durch die Afrikanische Union fehlt.