Der Prozess zur Einführung neuer generischer Top Level Domains (nTLDs) zieht sich weiter in die Länge: die Internet-Regierung ICANN hat angekündigt, auf einer Klausurtagung Ende September 2010 alle noch offenen Probleme behandeln zu wollen. Und die sind nach dem Meeting in Brüssel nicht weniger geworden.
Fünf Tage tagte ICANN in Brüssel, doch wer auf nTLDs gehofft hat, muss sich gedulden. Bis vorerst 21. Juli 2010 liegt der vierte Entwurf des Bewerberhandbuchs zur öffentlichen Diskussion aus, und ICANN hat angekündigt, eingehende Stellungnahmen bei den weiteren Beratungen berücksichtigen zu wollen. Hinzu kommen weitere Streitfragen, mit denen sich ICANN in Brüssel konfrontiert sah. So fordern Strafverfolgungsbehörden die Einführung von Standards, die Registrare dazu verpflichten, IP-Adressen zu speichern und herauszugeben, WHOIS-Adressen ihrer Kunden zu prüfen und CAPTCHAs einzuführen, um eine manuelle Registrierung sicherzustellen. Anbieter von Proxy-Diensten, die eine anonyme Domain-Registrierung erlauben, sollen zudem verpflichtet werden, die Kontaktdaten herauszugeben, wenn Beweise für Kriminalität vorlägen. Robert Flaim vom FBI gab an, dass hinter diesen Forderungen Strafverfolger aus über einem dutzend Länder stehen würden.
Des weiteren wirft der geplante Background-Check für Bewerber ungeklärte Fragen auf. Dieser umfasst insbesondere eine Überprüfung auf terroristische Aktivitäten oder die Verletzung von Rechten geistigen Eigentums und zielt darauf ab, Rechtsverletzer vom Betrieb einer Registry auszuschließen. Doch bereits die Frage, wer als Terrorist zu qualifizieren sei, sorgte für neue Debatten, zumal sich arabische Vertreter pauschal diskriminiert sehen. Ferner könnten bereits einige verlorene UDRP-Verfahren darauf hinweisen, dass man es mit einem Verletzer geistigem Eigentums zu tun habe, obwohl derartige Verfahren schwierige Rechtsfragen aufwerfen können, ganz zu schweigen von nationalen zivilrechtlichen Fragen. Schließlich wies das Government Advisory Committee darauf hin, dass ungeklärt sei, wann eine TLD wie beispielsweise .gay gegen Moral und öffentliche Ordnung verstoße; in diesem Fall sehen die derzeit geplanten Regeln vor, die Bewerbung abzulehnen. Angesichts dieser Diskussionen hat ICANN angekündigt, bei einer Klausurtagung am 24. und 25. September 2010 alle noch offenen Fragen zu nTLDs prüfen zu wollen.
Doch es gibt auch Positives aus Brüssel zu berichten. So gab ICANN bekannt, dass bereits in Kürze vollständig internationalisierte Domain-Namen in chinesischer Sprache für die Landesendung von China (.cn), Hongkong (.hk) und Taiwan (.tw) zur Verfügung stehen. Da ein Fünftel der Welt chinesisch spricht, öffnet ICANN damit die Tür für einen signifikanten Teil der Weltbevölkerung und dessen Teilhabe am Internet. Wann die jeweiligen Registries mit der Registrierung starten, bleibt abzuwarten; ein Start noch in diesem Jahr gilt jedoch als wahrscheinlich.