Weder Kosten noch Nutzen neuer Top Level Domains (nTLDs) lassen sich verlässlich vorhersagen – zu diesem Ergebnis gelangt eine neue Studie im Auftrag der Internet-Verwaltung ICANN. Zugleich gibt sie einen Ratschlag: eine Limitierung der Bewerbungen soll das Risiko niedrig halten.
Oft sah sich ICANN dem Vorwurf ausgesetzt, die Frage von Kosten und Nutzen von nTLDs nicht ausreichend untersucht und begründet zu haben. Rechtzeitig vor dem Meeting in Brüssel bessert die Internet-Verwaltung nach: Greg Rosston von der Stanford University und Michael Katz, University of California Berkeley, legen eine 67 Seiten lange Studie vor, die sich mit den wirtschaftlichen Vorteilen neuer Endungen befasst. Grundannahme der Studie ist, dass sich die Entscheidung eines Bewerbers daran bemisst, ob die Vorteile des Betriebs einer Registry die damit verbundenen Kosten übersteigen, wobei zwischen den sozialen Interessen der Internet Community und den privatwirtschaftlichen Interessen der potentiellen Betreiber eine Lücke klafft.
Wer die Studie liest, findet eine Vielzahl von Argumenten, die für und gegen nTLDs streiten. Als Hauptvorteile für nTLDs benennt die Studie steigende Konkurrenz zu bestehenden TLDs und damit günstigere Preise, die Ausdifferenzierung des DNS, eine Erweiterung der Produktvielfalt und die Ventilwirkung bei zunehmend knapp werdenden Adressräumen. Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass keine neue Endung die Dominanz von .com brechen konnte; so hat .name lediglich zwei Prozent der erhofften Registrierungen erreicht. Zudem wechseln Inhaber etablierter Domains die Endung nicht, da dies zusätzliche Kosten verursache und Verwirrung stifte. Erhebliches Potential versprechen dagegen IDN-TLDs, da sie einen wirklichen Mehrwert schaffen. Auch auf die Kosten einer nTLD wirft die Studie einen Blick, wobei zwischen den Bewerbungs- und den Registrykosten differenziert werden muss. Letzteres schätzt die Beratungsgesellschaft KPMG mit ein bis zwei Millionen US-Dollar jährlich, wobei die Kosten mit der Zahl der Domains sinken.
Letztlich lässt sich auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen keine verlässliche Prognose über Kosten und Nutzen von nTLDs treffen. Zum einen hat die Einführung zahlreicher neuer Endungen das Potential, das Nutzerverhalten grundlegend zu ändern. Zum anderen mag das Zusammensetzen von Einzelinformationen interessant sein, mangels ausreichender Datenbasis jedoch wenig aussagekräftig. Rosston und Katz geben daher zwei Empfehlungen: demnach wäre es klug, die Zahl der neu eingeführten TLDs in einzelnen Runden zu limitieren, was eine Abkehr vom Ansatz theoretisch unbegrenzter neuer TLDs bedeuten würde. Und um eine Datenbasis zu gewinnen, sollen sowohl Registries, Registrare als auch Domain-Inhaber solch begrenzt eingeführter neuer TLDs verpflichtend Informationen zur Verfügung stellen – spätestens jetzt dürften die Diskussion um eine Datenschutzdebatte erweitert werden. Für ausreichend Streitstoff beim ICANN-Meeting in Brüssel ist also gesorgt.