Eine (fast) unendliche Geschichte ist abgeschlossen: nach jahrelangen Auseinandersetzungen hat sich die Amazon EU S.à.r.l. durchgesetzt und die Delegierung von .amazon erreicht. Jedoch musste sie bis zum Schluss zittern.
Das Schicksal von .amazon schien eigentlich schon entschieden: »Should not proceed« – mit diesen knappen Worten beschloss das »New gTLD Program Committee« (NGPC) von ICANN am 14. Mai 2014, das Prüfungsverfahren zu beenden. Doch am 11. Juli 2017 hauchte das Independent Review Panel der Bewerbung neues Leben ein; es kam zu dem Ergebnis, dass ICANN bei seiner Prüfung nicht alleine auf eine – die Bewerbung ablehnende – Konsensempfehlung des Regierungsbeirates Government Advisory Committee (GAC) hätte verlassen dürfen; das Schiedsgericht verpflichtete ICANN deshalb dazu, die Bewerbung nochmals zu prüfen. Es folgte eine jahrelange Auseinandersetzung zwischen der Amazon Cooperation Treaty Organization (ACTO) und dem Online-Händler um die Frage, ob »Amazon« zu den geographischen Begriffen gehört, die nach den Regelungen im Bewerberhandbuch besonderen Schutz genießen. Doch selbst intensive Bemühungen ICANNs, zwischen den Parteien zu vermitteln und eine gütliche Lösung zu suchen, blieben wohl in erster Linie wegen des Widerstands der ACTO-Staaten erfolglos. Am 15. Mai 2019 sprach ICANN deshalb ein Machtwort und beschloss, das Bewerbungsprüfungsverfahren fortzusetzen.
Dieses Prüfungsverfahren ist nun abgeschlossen und führte dazu, dass .amazon zusammen mit zwei internationalisierten Varianten in japanischer und chinesischer Sprache am 28. Mai 2020 in die Root Zone eingetragen wurde. Auch die erste aktive Domain gibt es bereits: die obligatorische Domain nic.amazon führt zur Website der Verwalterin Amazon Registry Services Inc., auf der es stolz heißt: »Amazon is excited to present .amazon.« Man werde geleitet von vier Prinzipien:
customer obsession rather than competitor focus, passion for invention, commitment to operational excellence, and long-term thinking.
Die Allgemeinheit hat unmittelbar von .amazon nichts; als reine .brand bleibt die Registrierung der Registry vorbehalten, eine freie Vergabe für jedermann findet also nicht statt. Welche konkreten Pläne der Online-Händler mit .amazon hat, ist unklar; der öffentlich einsehbare Teil der Bewerbungsunterlagen spricht von zusätzlicher Kontrolle über die technische Architektur, einer weiteren Plattform für Innovation und dem Schutz eigener geistiger Rechte.
Ob sich die ACTO-Staaten mit der Delegierung von .amazon abfinden, bleibt abzuwarten. Bis zuletzt hatten sie versucht, sich in die Rolle einer »joint governance« zusammen mit der Amazon EU S.à.r.l. zu bringen. Mit leeren Händen stehen sie aber ohnehin nicht da: freiwillige Selbstverpflichtungen (»Public Interest Commitments«) verpflichten Amazon unter anderem, keine Domains zu registrieren, die von »primary and well-recognized significance to the Culture and Heritage specific to the Amazonia region« sind; bis zu 1.500 solcher Domains werden allgemein geblockt. Zudem erhält ACTO selbst als auch jeder der acht ACTO-Staaten seine eigene Domain unterhalb von .amazon.