Das jahrelange Tauziehen um die Einführung der neuen Top Level Domain .amazon geht in die nächste Runde: Die Internet-Verwaltung ICANN beschloss, der Bewerbung der Amazon EU S.à.r.l. eine neue Chance zu geben.
»Will not proceed« – eigentlich schien die Messe um die Einführung von .amazon schon gelesen, nachdem das »New gTLD Program Committee« (NGPC) von ICANN am 14. Mai 2014 beschlossen hatte, die Bewerbung von Amazon um die Domain-Endung .amazon und ihre japanischen und chinesischen IDN-Pendants zu stoppen. Das NGPC schloss sich damit der Empfehlung des ICANN-Regierungsbeirats Governmental Advisory Committee (GAC) an. Streitig ist vor allem, ob »Amazon« zu jenen geographischen Begriffen gehört, die nach den Regelungen im Bewerberhandbuch besonderen Schutz genießen; vor allem Argentinien, Brasilien und Peru mit Unterstützung von Bolivien, Ecuador und Guyana hatten deswegen offiziellen Protest gegen die Einführung angekündigt, weil sie um das kulturelle Erbe der Amazonas-Region fürchteten. Ebenso wie Patagonien bildet der Fluss Amazonas oder die Amazonas-Region aber keine eigenständige, souveräne Gebietskörperschaft. Der 11. Juli 2017 hauchte der Bewerbung von Amazon aber dann neues Leben ein. An diesem Tag entschied das Independent Review Panel, dass sich das NGPC nicht alleine auf die – die Bewerbung ablehnende – Konsensempfehlung des GAC hätte verlassen dürfen. Das Schiedsgericht verpflichtete ICANN deshalb dazu, die Bewerbung im Lichte dieser Entscheidung unverzüglich nochmals zu prüfen.
Am 16. September 2018 beschloss ICANN, CEO Göran Marby als Vermittler in die Verhandlungen zwischen Amazon und den Mitgliedsstaaten der Amazon Cooperation Treaty Organization (ACTO), darunter Brasilien und Peru, zu entsenden. Dem folgte nun am 25. Oktober 2018 ein weiterer wichtiger Schritt: der offizielle Status in der Bewerberdatenbank soll nicht länger »Will not proceed« lauten und darüber hinaus die Prüfung der Bewerbung fortgeführt werden. Geholfen haben Amazon dabei unter anderem so genannte »Public Interest Commitments« (PICs); dabei handelt es sich um freiwillige, aber im öffentlichen Interesse liegende Selbstverpflichtungen, mit denen Amazon die Bedenken der Anrainerstaaten zerstreuen will. Dazu gehören vor allem Sperrlisten und Auflagen bei der Registrierung von .amazon-Domains. Überprüft werden soll ihre Einhaltung durch das »PIC Dispute Resolution Procedure« (PICDRP), ein weiteres ICANN-eigenes Schiedsverfahren. Im Fall von Verstößen kann ICANN verbindliche Weisungen an Amazon erteilen, um die Einhaltung der Selbstverpflichtung sicherzustellen. Für Amazon bedeutet dieser Beschluss einen wichtigen Etappensieg; für Berichte, dass die Bewerbung bereits »grünes Licht« erhalten habe, ist es jedoch noch viel zu früh. Die ACTO-Staaten haben wiederholt erklärt, .amazon zu blockieren, sollten ihre Rechte als souveräne Nationen nicht ausreichend geschützt werden.
Dass die .amazon-Diskussion kuriose Blüten treibt, ergibt sich aus einem ACTO-Schreiben vom 05. September 2018, das ICANN vor wenigen Tagen veröffentlicht hat. Demnach hat Amazon unter anderem angeboten, für eine Zustimmung hauseigene Produkte wie den Kindle oder Dienstleistungen wie Cloud-Services im Wert von US$ 5 Mio. zu liefern. Die Bewahrung des Amazonas-Erbe unter einer eigenen Website wäre Amazon eine weitere Million an US-Dollar wert gewesen. Die ACTO-Staaten haben im August 2018 beschlossen, das Angebot abzulehnen; ob es als Teil der weiteren Gespräche wieder auf dem Verhandlungstisch landet, bleibt abzuwarten.