nTLDs

ICANN drückt sich vor rascher Entscheidung im Streit um .web

Die Einführung der neuen generischen Top Level Domain .web verzögert sich weiter: die Internet-Verwaltung ICANN hat vergangene Woche zwar weitere Korrespondenz veröffentlicht, lässt aber nicht erkennen, bis wann über die Einführung entschieden wird.

Im November 2018 hatte Afilias Domains No. 3 Limited, die mittlerweile als Altanovo Domains Ltd. firmiert und nicht zu jenen Gesellschaften gehört, die Afilias Ende 2020 an Donuts veräussert hat, als eine der sieben Bewerberinnen um .web ein »Independent Review Process«-Schiedsverfahren (IRP) gegen ICANN eingeleitet. Am 20. Mai 2021 urteilte das dreiköpfige Panel des ICDR daraufhin, dass ICANN mehrfach gegen die eigenen »Amended and Restated Articles of Incorporation« verstossen habe. Konkret störte sich das Schiedsgericht daran, dass ICANN das Delegierungsverfahren fortgesetzt hat, obwohl dem Board of Directors bekannt war, dass der von VeriSign unterstützte Bewerber Nu Dot Co (NDC) möglicherweise gegen die Regeln im Bewerberhandbuch verstoßen hat. Nicht festgestellt hat das Schiedsgericht, ob der von Afilias erhobene Vorwurf zutrifft und NDC die Rolle von VeriSign als »Sugar Daddy« hätte offen legen müssen. Eine Vergabe des Registry-Vertrages an Afilias lehnte das Panels also ab; ICANN soll stattdessen neu entscheiden, ob das »Domain Acquisition Agreement« zwischen NDS und VeriSign gegen die Regelungen im nTLD-Programm verstößt. Doch diese Entscheidung steht bis heute aus. Bei einem Special Meeting am 16. Januar 2022 hat das ICANN Board of Directors beschlossen, dass weitere Prüfungen notwendig seien. Der Ball liegt nun im Feld des Board Accountability Mechanisms Committee (BAMC), das die Entscheidung des IRP auswerten soll. Erst danach befasst sich der ICANN-Vorstand selbst wieder mit dem Vorgang.

Während dieser Auswertung durch das BAMC tauschen die eigentlichen Streitparteien ihre unterschiedlichen Standpunkte schriftlich aus. Die entsprechende Korrespondenz hat ICANN nun am 08. März 2022 veröffentlicht, und sie befasst sich vorwiegend mit der jeweils eigenen Auswertung der IRP-Entscheidung der Parteien. So weist die Kanzlei Dechert für Afilias unter anderem darauf hin, dass man NDS nicht allein vorwerfe, die Finanzierung durch den Nicht-.web-Bewerber VeriSign nicht offengelegt zu haben, sondern vor allem, als Strohmann – wörtlich ist die Rede von »Verisign’s puppet« – für VeriSign aufgetreten zu sein. Dabei lasse VeriSign inzwischen gar keinen Zweifel mehr daran, dass man .web künftig betreiben wolle. So hat sich CEO Jim Bidzos am 10. Februar 2022 wie folgt geäußert:

As we have said before, we continue to look forward to becoming the .web registry operator and establishing [it] alongside .com and .net as an additional operation for businesses and individual end users worldwide.

Das wiederum veranlasste die Kanzlei Paul Hasting, für NDC und VeriSign zu widersprechen. Afilias versuche, die Integrität ICANNs und des BAMC zu untergraben, indem man einen bestimmten Äußerungsgehalt der IRP-Entscheidung vorgeben möchte. Zudem verwahre man sich gegen die Veröffentlichung dieses Schreibens, da es Geschäftsgeheimnisse von VeriSign enthalte. ICANN hat darauf reagiert und lediglich eine redigierte Fassung veröffentlicht.

Insgesamt befindet sich das Bewerbungsverfahren um .web damit in einer Phase, in der über – zum Teil aus dem Zusammenhang gerissene – Worte gestritten wird, um die Deutungshoheit über eine anstehende Entscheidung des BAMC zu beeinflussen. Den Nutzen darf man bezweifeln, zumal Afilias angekündigt hat, die gerichtlichen Auseinandersetzungen »in all available fora whether within or outside of the United States of America« fortzusetzen. Galt bisher als möglich, dass .web Ende 2022 verfügbar sein wird, ist dies jetzt praktisch nahezu ausgeschlossen.

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