Die Internet-Verwaltung ICANN muss das von ihr geschaffene Verfahren zur Einführung neuer Top Level Domains transparenter gestalten. Das fordert der Domain-Experte Jeff Neuman, und kommt mit einem praktischen Vorschlag um die Ecke.
Im Mittelpunkt der Kritik von Neuman, 15 Jahre lang President of Law and Policy bei der .biz-Registry Neustar Inc. und inzwischen einer von zwei Mit-Vorsitzenden der New gTLD Subsequent Procedures Working Group, steht die mangelnde Vorhersehbarkeit des Bewerbungsverfahrens um die eigene TLD. Seine Überlegungen hat er in zwei Artikeln zusammengefasst, wobei er zunächst das Problem beschreibt und dann eine eigene Lösung präsentiert. Besonders stört sich Neuman daran, dass ICANN das erste Verfahren, das zur Einführungsrunde 2012 geführt hat, mehrfach kurzfristig und nachträglich geändert hat. So wurde beispielsweise nach Schließung des Bewerbungsfensters ein neues Muster des Registry Agreements veröffentlicht, neue Mechanismen zum Schutz der Rechte Dritter eingeführt, die Regelungen für einen Zugang zur Testumgebung modifiziert oder nachträglich generische Zeichenketten von der Zulassung als geschlossene Namensräume (closed generics) ausgeschlossen. ICANN habe alle diese Änderungen einseitig durchgesetzt, ohne ein standardisiertes Verfahren zu beachten. Vor allem .brands habe dies abgeschreckt, zumal nach Zahlung von allein US$ 185.000,– für die Bewerbung und einer Dauer von sechs Jahren – einer Ewigkeit für Unternehmen. Alles das müsse man bei der nächsten Runde ändern und das Verfahren vorhersehbar, also planbar machen.
Doch anders als viele Kritiker präsentiert Neuman auch eine Lösung für dieses Problem, das durch ein neues »Predictability Framework« geregelt wird. Es verhindert zwar keine nachträglichen Änderungen am nTLD-Programm, gestattet diese aber nur im Rahmen eines zuvor festgelegten Regelwerks, das zum Beispiel die Zuständigkeiten bestimmt – sei es ICANN, sei es unter Beteiligung anderer Interessengruppen, mindestens aber in einer Abstimmung mit der Generic Names Supporting Organization (GNSO). Überprüft werden soll das von einem neu zu installierenden »Standing Predictability Implementation Review Team«, kurz »SPIRT« (gesprochen: »Spirit«). Es soll ICANN dabei helfen, (a) unvermeidliche Probleme zu identifizieren, (b) diese Probleme zu bewerten und (c) sicherstellen, dass die zuständigen Institutionen innerhalb ICANNs sich darum kümmern. Die Aufsicht über SPIRT soll nach Ansicht Neumans bei der GNSO liegen. Besetzt werden soll SPIRT mit Vertretern der Interessengruppen innerhalb ICANNs, also aller Stakeholder. Tätig werden soll SPRIT jedoch nur auf Initiative von »ICANN Board, ICANN Org, or the GNSO Council«, um keine Tür für sonstige Dritte zu öffnen.
Neuman stellt sich auch der Kritik an dem SPRIT-Modell, wie etwa dem Risiko, dass die Stellung der GNSO unterlaufen würde oder der Gefahr, dass ICANN letztlich doch so entscheide, wie man es für richtig halte. Dem könne man aber Transparenz entgegenhalten, indem beispielsweise ein »Change Log« alle Änderungen dokumentiert. Ob Neuman damit Gehör findet, bleibt vorerst abzuwarten; ICANN hat sich zu diesem Vorschlag öffentlich noch nicht positioniert.