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Afilias bringt den Streit um .web auf eine neue Ebene – ein IRP-Verfahren ist eingeleitet

Der Rechtsstreit um die Einführung der neuen Top Level Domain .web ist zurück im schiedsgerichtlichen Verfahren: die bisher erfolglose Bewerberin Afilias Domains No. 3 Limited rügt vor dem International Centre For Dispute Resolution (ICDR) erneut eine Verletzung der Statuten von ICANN.

Im November 2018 hatte Afilias Domains No. 3 Limited, die mittlerweile als Altanovo Domains Ltd. firmiert, ein IRP-Verfahren (Independent Review Process) gegen die Internet-Verwaltung ICANN eingeleitet. Der zentrale Vorwurf von Afilias lautete, dass es der im Rahmen einer Auktion siegreiche Bewerber Nu Dot Co LLC (NDC) versäumt hatte, offenzulegen, dass man mit der .com-Registry VeriSign einen finanzstarken Partner im Rücken hatte, der das siegreiche Auktionsgebot von US$ 135 Mio. erst möglich gemacht hat. Doch nach zähem Ringen ging Afilias vorläufig leer aus: am 30. April 2023 entschied das Board of Directors der Internet-Verwaltung ICANN, dass NDC weder durch den Abschluss eines »Domain Acquisition Agreement« VeriSign noch durch die Teilnahme an der .web-Auktion gegen die Regelungen im Bewerberhandbuch oder die Auktionsregeln verstoßen hat. Zugleich wurde die Interims-Präsidentin und CEO Sally Costerton angewiesen, die Bewerbung von NDC weiterzubearbeiten, also das Registry-Agreement auszuhandeln. Um dies zu unterbinden, hat Afilias zunächst einen »ICANN Cooperative Engagement Process« (CEP) eingeleitet, der jedoch erfolglos blieb. Mittlerweile wurde der Rechtsstreit in ein IRP-Verfahren übergeleitet, in dem sich erneut Afilias und ICANN vor dem ICDR gegenüberstehen.

Wie sich der von ICANN veröffentlichten Antragsschrift vom 14. Juli 2023 entnehmen lässt, wendet sich Afilias gegen die Entscheidung vom 30. April 2023 und macht geltend, dass ICANN in mehrfacher Hinsicht die eigenen Statuten verletzt habe. Konkret rügt Afilias insbesondere die Feststellungen des ICANN-Boards, dass eine Vereinbarung wie das »Domain Acquisition Agreement« nicht unter die Regelungen des Bewerberhandbuchs (AGB) fällt, dass das »Domain Acquisition Agreement« anderen TLD-Übertragungsvereinbarungen ähnlich ist, dass NDC nicht gegen die Offenlegungs- und Änderungsanforderungen der AGB verstoßen hat und dass NDC nicht gegen die Versteigerungs- und Bieterregeln verstoßen hat. NDS werde zwar von ICANN weiterhin als Bewerber geführt; tatsächlich verkünde VeriSign bereits, dass man »engaged in ICANN’s process to move the delegation of .web forward« sei, obwohl VeriSign aktuell noch gar keine Rechte an .web habe. NDS selbst habe aber gar keine eigene Geschäftsabsicht:

As of August 2015, NDC had no independent business plan for .WEB that it intended to implement. Its sole purpose in applying for .WEB was to obtain it for the oldest of the incumbent players, not to market .WEB itself in any way or to compete in the market. […] No one in the Internet Community, including the other .WEB Contention Set members, had any clue that, as of August 2015, they were competing with Verisign and not NDC.

Neben diesen Feststellungen soll das Schiedsgericht auch entscheiden, dass ICANN gegenüber Afilias zum Abschluss eines Registry-Vertrages verpflichtet sei. ICANN ist dem mit Erwiderung vom 30. August 2023 umfangreich entgegengetreten. Man habe nach vernünftigem geschäftlichen Ermessen (»reasonable business judgment«) entschieden, dass kein Verstoß vorliege:

Accordingly, for the reasons set forth above, the ICANN Board exercised its reasonable business judgment in determining that NDC did not violate the terms of the Guidebook, and that reasoned decision was fully compliant with ICANN’s Articles and Bylaws.

Dies sei zu respektieren. Allein dass man anders hätte entscheiden können, begründe keinen Verstoß gegen die ICANN-Statuten und verpflichte ICANN erst recht nicht, .web auf Afilias zu übertragen.

Auch wenn sich die Argumente wiederholen, hatte Afilias schon vor geraumer Zeit angekündigt, die Auseinandersetzungen um .web „in all available fora whether within or outside of the United States of America“ fortzusetzen. Selbst mit Abschluss des zweiten IRP-Verfahrens dürften die Auseinandersetzungen daher nicht beendet sein. Aktuell sieht daher alles danach aus, als würde sich die Einführung von .web und mit ihr die Registrierung der ersten .web-Domains noch um Jahre verzögern.

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