Nachdem die Brand Registry Group (BRG) einen abweisenden Bescheid von ICANN hinsichtlich vergünstigter Gebühren für .brand-Domains erhalten hat, steht schon die nächste Kontroverse auf dem Plan: In einem offenen Brief an das GNSO-Council regt die BRG dringend an, einige Verfahren im Vorfeld der nächsten nTLD-Runde abzutrennen, um die Einführung neuer Domains zu beschleunigen.
Die BRG, ein Lobby-Verband für Marken-Endungen, unterbreitet in einem offenen Brief vom 14. Juli 2023 ehrerbietig (»respectfully«) ihre Vorschläge, um die Verzögerungen der neuen Einführungsrunde generischer Top Level Domains, die jahrzehntelange Debatte über »closed generics« und internationalisierte Domain-Namen auf die Reihe zu bringen. Sie sieht den während des ICANN76-Meetings wahrnehmbaren Optimismus hinsichtlich der Einführungsrunde neuer gTLDs kurze Zeit später beim ICANN77 in Washington deutlich gedämpft. Für die BRG liegt das an der hohen Komplexität der noch ausstehenden Fragen, die ICANN und GNSO einzuhegen suchen. Für die BRG sieht es so aus, als vermischten GNSO und der ICANN-Vorstand möglicherweise einige Regulierungsfragen miteinander, die besser gelöst werden könnten, wenn sie entkoppelt würden, insbesondere in Bezug auf »closed generics« und internationalisierte Domain-Namen (IDNs). Unter »closed generics« versteht man eine TLD-Zeichenfolge, die einem generischen und markenrechtlich nicht geschützten Begriff entspricht, eine Registrierung aber ausschließlich der Registry oder einem verbundenen Unternehmen vorbehält, so dass sie der Allgemeinheit entzogen sind. Internationalisierte Domains und Endungen sind solche in internationalen Ländersprachen und deren Schriftzeichen.
Konkret meint die BRG, der sehr langwierige Prozess hinsichtlich der »closed generics« werde kaum zu einem »policy development process« (PDP) führen, der vorhersehbare und umsetzbare Regulierungsempfehlungen hervorbringt. Darum schließe man sich dem von Paul McGrady (GNSO-Council) während ICANN77 gemachten Vorschlag an, einen »Platzhalter« (»safety valve«) zu implementieren, um zu verhindern, dass das Problem der »closed generics« den Start der nächsten Runde neuer gTLDs blockiert. Weiter ist die BRG vorsichtig optimistisch, dass die »IDN expedited PDP«, die den PDP für IDNs beschleunigen soll, mit dem geplanten persönlichen Treffen in 2023 den vorläufigen Termin 2026 für die Einführungsrunde weiter vorantreiben könnte. Allerdings glaube man, dass die Verknüpfung der Fragen von internationalisierten Domains und internationalisierten Top Level Domains durch GNSO und ICANN falsch sei und die kommende Einführungsrunde verzögere. Beide Themen sollten getrennt verhandelt werden: das Vorhandensein von Regeln über internationalisierte Domains, zu deren Einhaltung die bestehenden und zukünftigen Registries vertraglich verpflichtet werden, sollte nicht Voraussetzung für den Start der neuen gTLD-Runde sein. Die Frage der IDNs hat Vorrang, und sollte von GNSO und ICANN schnellstmöglich geklärt werden, zumal Bewerber um zukünftige IDNs schon vor 2026 ihre Bewerbung einreichen wollen werden, auch wenn technische Unklarheiten erst später geklärt werden.
Eine Reaktion der angesprochenen Kreise steht derzeit noch aus. Die Vorschläge der BRG klingen vernünftig und umsetzbar. Ob das aber bei ICANN und GNSO anschlägt, und wenn ja: ob diese Vorschläge bei deren Umsetzung wirklich die Entwicklungen beschleunigen? Wir werden gespannt zuschauen und berichten, wie sich die Angelegenheit weiter entfaltet.